Fair wie in Faire Kleidung
Die Kolumne “Betrifft: Faire Computer” erscheint regelmäßig in der FIfF-Kommunikation. Es geht kurz und knapp um die News (die meist auch schon getwittert wurden unter @FaireComputer) in Sachen Faire IT / Elektronik des letzten Vierteljahres. Diese Ausgabe berichtet von Mitte August bis Ende November 2014 und ist in der FIfF-Kommunikation 4/2014 erschienen. Frühere Ausgaben findet ihr hier im Blog.
Am Ende der letzten Kolumne berichtete ich von Krebs-Fällen bei der Herstellung von Computerchips heute (z.B. Samsung) und früher (z.B. IBM). Daran kann ich nun nahtlos anknüpfen: Auch in der Endmontage der Geräte bei Foxconn sind in einem Werk nun mehrere Leukämie-Fälle aufgetaucht, und noch weiß niemand so genau, was sie verursacht hat. Foxconns wichtigster Kunde Apple hatte einen Monat vorher schon reagiert, indem er einige krebserzeugende Chemikalien aus dem Produktionsprozess verbannte. Das freilich kam viel zu spät für die Produktion des neuen iPhone 6 und gilt im übrigen auch gar nicht für die Produktion der Bauteile, beispielsweise der Chips. Es ist auch nicht so dass Apple neue Erkenntnisse umgesetzt hätte: Eine Bewegung für das Verbot von Benzol in China gibt es schon seit vielen Jahren. In den USA startete Anfang des Jahres eine Petition zu dem Thema.
Ebenfalls an die Kolumne 3/2014 anschließen können wir bei den Elektronikfirmen-Rankings: Greenpeace hat mit der „Guide to Greener Electronics„-Tradition gebrochen und spricht nun lieber von „Green Gadgets“. Auch dort stehen Chemikalien im Fokus, sowie der Energieverbrauch und die Materialien. Greenpeace lobt Apple als vorbildlich. Von Fairness ist bei Greenpeace allerdings gar nicht mehr die Rede. Dafür aber bei den Schweizer Organisationen Brot für alle und Fastenopfer. In ihrem „Hightech-Ranking“ wurden von den Herstellern ausgefüllte Fragebögen ausgewertet. „Auf gutem Weg“ seien lediglich HP und Nokia. Das zur Darstellung genutzte Ampelsystem ist sicherlich praktisch und intuitiv, aber haben sie wirklich ein Grün verdient? Germanwatch kritisiert diese Rankings als eher verwirrend, denn „wirklich faire und nachhaltige Geräte gibt es noch nicht“, zudem seien die „bei den Produktrankings angelegten ökologischen und sozialen Kriterien …. sehr unterschiedlich“ und sie „beruhen hauptsächlich auf Aussagen der Hersteller und nicht auf unabhängigen Informationen Dritter“.
Mit den „Informationen Dritter“ sind Audits und investigative Recherchen gemeint. TCO Development (die mit dem Siegel) haben dieser Tage veröffentlicht, wie weit sich ihre Kunden aus der IT-Branche überhaupt an ihre eigenen Ethikversprechungen halten. Ergebnis: 11 von den 17 taten es in sogar schweren Fällen nicht. Namen nennt TCO leider nicht. Es gab in den letzten Monaten zudem einige investigative Recherchen in chinesischen Fabriken, mit Erkenntnissen an die wir uns leider beinahe schon gewöhnt haben:
- Bezahlung unter Mindestlohn, hoher Arbeitsdruck und Verweigern von Pausen bei Jabil Circuit in Wuxi, fertigt Teile bislang nur für Apple.
- 15-Stunden-Tage und Gesundheitsrisiken durch Chemikalien bei Pegatron Corp. in Suzhou, fertigt für Apple, Acer, Asus, Cisco, Dell, Microsoft, Sony u.a.
- Fehlende Einarbeitung, Pflichtüberstunden und verweigerte Einzahlung in Sozialversicherungen bei Catcher Technology in Suqian, fertigt Gehäuse u.a. Teile für Apple, Dell, HP, Lenovo, Sony, HTC, Motorola u.a.
- 12-Stunden-Schichten im Stehen und Kinderarbeit bei HEG Technology in Huizhou, endfertigt für Samsung, Lenovo u.a.
- Illegale Arbeitsvermittlungsgebühren, Überstunden bei Praktikanten und fehlende Erholungstage bei Quanta Computer in Shanghai und Shangshu, endfertigt für Apple, Sony, Dell, HP u.a.
- Kinderarbeit, enorme Überstunden und Diskriminierung von Leiharbeitern bei Shinyang Electronics in Dongguan, fertigt Gehäuse u.ä. vermutlich ausschließlich für Samsung.
Apropos Samsung: Sie haben auch beim Berufungsgericht den Prozess verloren gegen zwei klagende Familien von an Krebs gestorbenen Ex-Mitarbeiterinnen und müssen nun Kompensationsgelder zahlen. Die Gespräche mit der Zivilorganisation SHARPS/Banolim gestalten sich weiterhin schwierig. Samsung strebt außergerichtliche Einigung mit lediglich sechs weiteren Familien an. SHAPRS besteht auf Vertretung aller Opfer.
Kurz zu den innovativen Fair-IT-Projekten:
- Fairphone: Eine neue Version mit „eigenem Design“ soll ab Mitte 2015 bestellbar sein, während die vorhandenen Geräte fast ausverkauft sind. Die ArbeiterInnen der „Fairphone-Fabrik“ haben zudem entschieden, sich die Gelder aus dem „Worker Welfare Fund“ auszahlen zu lassen. Damit dürfte die Belegschaft im Nachhinein einen Monat lang die vielleicht bestbezahlten Handy-Zusammenbauer Chinas gewesen sein.
- NagerIT: Es soll eine detaillierte Kostenaufstellung entwickelt werden, aber offen, ehrlich und wahrhaftig zu sein, ist gar nicht so einfach wie es scheint: Ein Diskussionsaufruf auf der Website. Zudem kommt bald das hölzerne Scroll-Rad welches das aus unfairem Plastik ablösen soll.
- Fairlötet: Das Projekt zur Herstellung fairen Lötdrahts startete unter www.fairloetet.de und begann mit einer Umfrage an potenzielle Kunden. Das Ziel soll mit Recycling-Zinn erreicht werden.
- ShiftPhone: Noch stehen detaillierte Informationen aus, wie die weitreichenden Fairnessversprechen des Herstellers aus Hessen umgesetzt werden, aber immerhin gibt es ein freundliches Foto des chinesischen Entwicklungsteams.
Eine gute Nachricht am Ende: Die Proteste gegen die Entlassung von 24 NXP-Betriebsräten auf den Philippinen hatte Erfolg. Nicht nur wurde die eine Hälfte wieder eingestellt und die andere Hälfte ordentlich abgefunden, sondern auch der laufende Tarifkonflikt wurde mit einem guten Ergebnis für die ArbeitnehmerInnen abgeschlossen. Der Philips-Spinoff NXP ist ein bedeutender Produzent von Halbleiterbauteilen, auch in Deutschland. In Hamburg, bei mir um die Ecke, werden vermutlich die neuen NFC-Chips vom iPhone 6 hergestellt.
Steckt da also tatsächlich ein faires Bauteil im iPhone?
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