Fair wie in Fairer Fruchtsaft
Die Kolumne “Betrifft: Faire Computer” erscheint vier Mal im Jahr in der FIfF-Kommunikation. Es geht kurz und knapp um die Neuigkeiten (die meist auch schon getwittert wurden unter @FaireComputer) in Sachen Faire IT / Elektronik der letzten paar Wochen. Diese Ausgabe berichtet von Mitte Mai bis Mitte August 2015 und ist in der FIfF-Kommunikation 3/2015 erschienen. Frühere Ausgaben findet ihr hier im Blog.
Was wirklich anders ist als früher, als zum Beispiel Foxconn in allen Zeitungen war: Es gibt keine Empörung mehr. Das beginnt schon damit, dass es kaum neue investigative Berichte aus den Elektronikfertigungshallen dieser Welt gibt. Von der Produktion der Apple Watch zum Beispiel liegen nur ein paar Bilder und ein kurzer Bericht vor. Da fällt für eine Kolumne wie diese kaum etwas ab. Die einschlägigen Organisationen sind anders unterwegs:
- Die eine investigativ recherchierende Organisation namens SACOM konzentriert sich auf die Bekleidungsindustrie, die andere namens China Labor Watch auf die Spielzeugindustrie.
- ElectronicsWatch ist das einzige europäische Projekt zur fairen IT, das allerdings in Sachen öffentlicher Beschaffung arbeitet, wichtig zwar, aber ein gähnend zähes Bürokratenthema.
- GoodElectronics arbeitet vor allem im Kleinen und unterstützt die Arbeit lokaler Arbeitsrechtsorganisationen, so dass dort gewerkschaftliche, aber auch arbeitsschutzrechtliche Trainings ermöglicht werden, z.B. auf den Philippinen oder in Mexiko. Sie veröffentlichten ansonsten gemeinsam mit SOMO zusammenfassende Dossiers über Nokia in Indien oder NXP in Indonesien. Ein Medienecho findet das nicht.
Es ist – das ist die gute Nachricht – eine Konzentration der Arbeit weg von Skandalisierung über Sweatshop-beauftragende Markennamen hin zu einer ergebnisorientierten Arbeit für die Betroffenen, auch bei den Teileherstellern und nicht mehr nur bei den Zusammenschraubern. Und wichtig: Unsere Einflussnahme, sei es durch Gesetzgebung, öffentliche Beschaffung oder alternative Unternehmen rückt in den Fokus.
Westliche Firmen haben nicht mehr die große Bedeutung. Zunehmend sind es die Günstiggerätehersteller aus zum Beispiel China, die den Markt bestimmen und die zunehmend reichen Schwellenländer beliefern. Kennt jemand Huawai oder Xioami? Bei denen ist Fairness noch nicht angekommen. So wie die Arbeitsplätze wandern inzwischen auch die Marken, so wie die Arbeitgeber nun also auch die Käufer. Die Hoffnung indes, die neuen Fertigungsländer Indien, Myanmar oder Vietnam könnten die Fehler Chinas vermeiden, ist nicht angebracht. Es bleibt bei der Unfairness, die letztlich auch die Industrialisierung unserer so genannten ersten Welt prägte.
In Sachen Krebsfälle bei Samsung hat das Panel der drei Parteien Sharps (kämpferische Opferorganisation), einzelner Familien (mit geringeren Forderungen) und Samsung selbst die Empfehlung veröffentlicht, eine Stiftung zu gründen um Unfälle in der Display- und Halbleiterindustrie zu vermeiden. Samsung will das aber gar nicht unterstützen, sondern lediglich (zudem eingeschränkt) finanzielle Kompensation zahlen. Es gibt also eigentlich gar keinen Fortschritt in dieser Sache.
Ein US Gericht hat sein eigenes Urteil bestätigt, dass Firmen entgegen einer Anweisung der US-Börsenregulierung ihren Kunden verschweigen dürfen, dass ihre Produkte „möglicherweise nicht konfliktfrei“ sind, denn sie dürfen nicht gezwungen werden schlecht über sich selbst zu reden. Das hat sich ein Industriekonsortium erkämpft, dem auch z.B. Intel, HP und Microsoft angehören, aber immerhin hatten die drei sich davon distanziert. Fakt ist, dass die große Mehrheit der Firmen bislang nicht herausfinden konnte, ob ihre Geräte nun konfliktfrei sind oder nicht. Derweil ist ein kritischer Film über die Probleme des dem Ganzen zu Grunde liegenden US-Dodd-Frank-Act 1502 unter dem Namen „We will Win Peace“ erschienen und sehr sehenswert.
Was machen die möglichst fairen Geräte? Fairphone hat zwar nun den Vorverkauf seiner zweiten, modulareren Generation von Geräten zu einem deutlich höheren Preis gestartet, zum namensgebenden Fairnessgrad der Geräte gab es anfangs aber keinerlei offizielle Verkündung. Inzwischen ist klar, dass es bei konfliktfreiem Zinn und Tantal bleibt, Wolfram kommt vielleicht hinzu, das mit dem Fairtrade-Gold klappt aber erstmal nicht. Auch wird sicher das Programm mit dem Fond für die Arbeiter fortgesetzt. Das ist gut, aber nichts Neues in dieser nach Neuem gierenden Branche. Nager-IT vermeldet, dass inzwischen 5000 Computermäuse verkauft wurden. Mit Shift sind wir vom FIfF derzeit im Gespräch zur Einschätzung der angekündigten Fairness ihrer Geräte. Sie haben kurz vor Redaktionsschluss die mit dem Fertiger Weihua ausgehandelten Fairnessanforderungen veröffentlicht. Diese weisen u.a. ein ganz außergewöhnlich hohes Gehalt für die ArbeiterInnen aus. Wir bleiben am Ball.
Fairness im Elektroniksektor, so meine Einschätzung, macht nur ganz kleine Schritte. Fehlt uns und der Presse die verlorengegangene Empörung?