Wichtiger Zwischensieg: Südkorea erkennt Lymphdrüsenkrebs eines Samsung-Fabrikarbeiters als Berufserkrankung an

In einer bisher einmaligen Entscheidung von Südkoreas Behörde für Arbeiterentschädigung und -Fürsorge (KCOMWEL) wurde am 1. Juni ein malignes Lymphom (Lymphdrüsenkrebs) als Berufserkrankung anerkannt, und damit der Entschädigungszahlung für Park Hyo-soon stattgegeben. Die Mitarbeiterin von Samsung Electronics Co. Ltd starb vor vier Jahren an dieser Erkrankung.

Das Portrait von Park Hyo-soon auf dem Schrein bei der SHARPS-Sitzblockade. Am 1. Juni 2016 entschied KCOMWEL posthum ihre Entschädigungszahlung freizugeben.

Das Portrait von Park Hyo-soon auf dem Schrein bei der SHARPS-Sitzblockade. Am 1. Juni 2016 entschied KCOMWEL posthum ihre Entschädigungszahlung freizugeben.

Entschädigungszahlung posthum bewilligt

Mit der posthumen Bewilligung unterbrach KCOMWEL das alte Entscheidungsmuster, nach dem die Anträge ehemaliger Samsung-Mitarbeiter mit Berufserkrankungen oft mangels Beweisen ablehnt wurden. Die Behörde bewilligte die Zahlung an Parks Familie, obwohl Samsung der Opferschutzvereinigung SHARPS zufolge keinerlei Informationen zu den Arbeitsbedingungen von Frau Park zur Verfügung stellte. Laut SHARPS brauchte KCOMWEL fast vier Jahre, um diese Entscheidung zu treffen.

Vorzeige-Studentin

Park Hyo-soon hat etliche Gemeinsamkeiten mit etwa 200 Samsung-Mitarbeitern mit Blutkrankheiten, die SHARPS erfasst hat. Geboren und aufgewachsen ist sie in Hwasun, Provinz Süd-Jeolla, als Tochter einer armen Familie.
Sie war beliebt und zeigte so gutes Benehmen, dass sie in der Oberstufe als Vorzeige-Schülerin ausgezeichnet wurde. Im Jahr 2002, einige Monate vor ihrem Schulabschluss, wurde Park Hyo-soon von Samsung als Fließbandarbeiterin in der Schaltkreis-Produktion eingestellt.
Im Jahr 2010, etwa 4 Jahre nachdem sie bei Samsung wegen Hautkrankheiten kündigt hatte, wurde bei ihr Lymphdrüsenkrebs im Endstadium diagnostiziert. 2012 verstarb Park Hyo-soon im Alter von 28 Jahren.

Es folgt nun ein Ausschnitt aus der Pressemitteilung der Opferschutzvereinigung SHARPS vom 03. Juni 2016 zu der Entscheidung der Arbeiterentschädigungsbehörde KCOMWEL:

  1. Koreas Behörde für Arbeiterentschädigung und Fürsorge (KCOMWEL) entschied am 1. Juni, die Arbeiterentschädigung Frau Park Hyo-soon zuzugestehen, einräumend, dass ihr Nicht-Hodkin-Lymphom – oder malignes Lymphom – eine Berufserkrankung darstellt, weil sie sich diese durch den Kontakt mit Benzol oder anderen Materialien zugezogen haben könnte.
  2. Diese Entscheidung von KCOMWEL ist besonders bedeutsam, weil erstmalig Lymphdrüsenkrebs zur Berufserkrankung erklärt wird. Mit dieser Entscheidung hat die Behörde insgesamt 11 Mitarbeiter von Samsung Electronics Co., Ltd. und Samsungs Abteilung für LCD-Bildschirme als Opfer von Industriekrankheiten bestätigt, die im Einzelnen sind: Leukämie, Aplastische Anämie, Brustkrebs, Gehirntumore, Eierstockkrebs und – nun auch – Lymphdrüsenkrebs. (Genau wie Leukämie gehört auch Lymphdrüsenkrebs zu einer Gruppe von Blutzelltumoren, die sich aus lympathischen Zellen nach Kontakts mit Benzol, ionisierender Strahlung u.ä. entwickeln.)
  3. Die Entscheidung von KCOMWEL ist so wichtig, weil sie nicht passiv war und nicht allein auf Angaben beruht, die der Arbeitgeber zur Verfügung gestellt hat.

Während der Untersuchung gab Samsung zu Protokoll, dass das Opfer während der Arbeit gefährlichen Materialen nicht nachweislich ausgesetzt gewesen sei. Jedoch folgerte das Institut für Arbeitssicherheit und Gesundheitsforschung (OSHRI, die Untersuchungsabteilung von KCOMWEL) nach einer Untersuchung vor Ort, dass das Opfer krebserregenden Chemikalien sehr wohl ausgesetzt war. Dabei wird betont, dass in den Daten, welche Samsung zur Verfügung gestellt hat, die Chemikalien als Betriebsgeheimnis geschwärzt sind, und dass während der Arbeitszeit des Opfers auch kein Chemie-Detektor installiert war. Dies stellt eine Verbesserung gegenüber der bisherigen Untersuchungsverfahren dar, bei denen lediglich die Angaben der Arbeitsgeber betrachtet wurden, welche sich aber oft weigern, die entscheidenden Arbeitsbedingungen offen zu legen, und nur irrelavante Informationen zur Verfügung stellen.

  1. Dennoch hat die Entscheidung sehr lange gedauert. Drei Jahre und acht Monate vergingen, seit die Familie von Park Hyo-soon ihren Antrag im Oktober 2012 gestellt hat. Das ist ein ernstes Problem, weil KCOMWEL damit klar gegen die erste Bestimmung des Gesetzes über Industrieunfälle und Arbeitsentschädigungen verstößt, welche das Prinzip der unverzüglichen und fairen Kompensation kodifiziert.

Bereits 2008 zeigte sich in einer epidemiologischen Studie von OSHRI, dass weibliche Angestellte in der Halbleiter-Herstellung verglichen mit der übrigen Bevölkerung eine signifikant erhöhte Wahrscheinlichkeit für die Entstehung von Lymphdrüsenkrebs haben. Leukämie, eine dem Lymphdrüsenkrebs ähnliche Blutbildungsstörung, wurde durch das Verwaltungsgericht bereits in drei Fällen seit 2011 bei Arbeitern aus der Samsung-Fabrik in Giheung als Berufskrankheit anerkannt. Fassungslos sind wir darüber, dass für Arbeiter aus derselben Fabrik und mit einer ganz ähnlichen Krankheit die Gewährung der Entschädigungszahlung dermaßen lange gedauert hat. Das Arbeitsministerium muss die Gründe für diesen Verzug analysieren und die komplexen und langsamen Prozesse für die Arbeiterentschädigungen verbessern.

  1. Park Hyo-soon begann im April 2002 in Samsungs Giheung-Fabrik zu arbeiten, wenige Monate vor ihrem Berufsschul-Abschluss in Hwasun, Süd-Jeolla. Seitdem bediente sie fotolithographische Fließbänder für drei Jahre und sieben Monate, wobei sie mehreren gesundheitsschädlichen Materialien ausgesetzt war. Regelmäßig unterbrach der Wechsel zwischen Tag- und Nachtschichten ihren gewohnten Tag- und Nachtrhythmus. Als sie im Januar 2006 an einer Hautkrankheit (Erythem) litt, kündigte sie. Im November 2010 wurde wurde bei Park Hyo-soon metastasierender Lymphdrüsenkrebs diagnostiziert, im Alter von nur 26 Jahren. Sie starb am 19. August 2012 mit 28 Jahren.

Bis zum Juni 2016 hat SHARPS ingesamt 223 ehemalige Angestellte von Samsung Electronics und Samsung LCD erfasst, die nach eigener Auskunft an Blutkrankheiten leiden. Von diesen 223 Menschen sind bereits 76 verstorben. Wie lange noch wird Samsung vorgeben, nicht für diese fortlaufende Katastrophe verantwortlich zu sein? Und wie lange noch wird Samsung seine gesundheitsschädlichen Arbeitsbedingungen zu vertuschen versuchen?

  1. Mit dem 3. Juni vergeht der 221. Tag von SHARPS‘ Sitzblockade vor Samsung D’light, ihrem sogenannten ‚global exhibition space‘ im Süden Seouls. Die Sitzblockade wird weitergehen, solange Samsung sich vor seiner Verantwortung drückt und den Dialog meidet. Selbst nachdem 11 ehemaligen Angestellte Entschädigungszahlungen für ähnliche Blutstörungen gewährt bekommen haben, hat der größte Technologiekonzern der Welt niemals die Verantwortung übernommen.

SHARPS, 3. Juni 2016

Übersetzung: Michael Leben

Dies ist eine Übersetzung des Artikels „A Milestone Victory: S. Korean Gov’t Declares Malignant Lymphoma Occupational Disease“ aus dem SHARPS-Blog. Die südkoreanische Gruppe SHARPS (Supporters for the Health And Rights of People in the Semiconductor industry), das sind „die Unterstützer von Gesundheit und Rechten der Menschen in der Halbleiterindustrie“. Sie bestehen aus einer unabhängigen Gewerkschaft (KCTU), Menschenrechtsgruppen, Arbeitssicherheitsgruppen, progressiven politischen Parteien und Arbeitsorganisationen gegen Samsung. SHARPS gründete sich nach einer Häufung von Krankheitsfällen von Fabrikarbeitern in Samsungs Halbleiterfabriken, die u.a. Speicherchips herstellen. Seitdem kämpft die Gruppe dafür, dass die Opfer als Berufserkrankte anerkannt werden, und damit einhergehend eine finanzielle Entschädigung erhalten. Aufgrund des Systems privater Krankenversicherungen bedeutet eine Krebserkrankung für südkoreanische Fabrikarbeiter oft den finanziellen Ruin.

Ein Gedanke zu „Wichtiger Zwischensieg: Südkorea erkennt Lymphdrüsenkrebs eines Samsung-Fabrikarbeiters als Berufserkrankung an

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