FairPhone: Stand der Dinge

Beim FairPhone gibt es keine Neuigkeiten, aber viele erwartungsfreudige Berichte in vielen bekannten Medien. Es ist nicht einfach, den Überblick zu behalten, was aktueller Stand der Planung ist. Zusammen mit einem Vergleich mit anderen Angeboten versuche ich es in diesem Posting mal, wobei ich mich vor allem auf die Aspekte der „Fairness“ beziehe:

Eckdaten

  • Gerät: Ein SmartPhone, Android (rootable), zwei SIM-Karten einsetzbar
  • Kosten: 250-300 Euro
  • Termin: Herbst 2013, Prototyp im Sommer
  • Anzahl: 10000 Stück
  • Vertrieb: Vermutlich direkt, aber auch per KPN/e-plus, evtl. Vodafone und O2. Gespräche mit Telekom/T-Mobile.

Leitlinien

  1. Fokus auf die sozialen und entwicklungspolitische Kriterien bei der Rohstoffgewinnung und der Fertigung, gleichzeitig Augenmerk auf Reparier- und Recyclebarkeit
  2. Radikale Transparenz, d.h. Nachweis der Herkunft aller Teile
  3. Technik ist drittrangig, allerdings sollte sie die Nachfrage nicht behindern. Sie sollte möglichst offen/wandelbar/reparierbar/anpassbar sein.
  4. Erstmal einen Wandel anstoßen statt alles auf einmal lösen.

Fairness

  • Einsatz konfliktfreien Zinns aus dem Kongo, zertifiziert von „Conflict-Free Tin Initiative“. Wird benötigt für Leiterplatten und Lötungen. Hersteller der Lötpaste kommt aus China; Fairness unklar. In Leiterplatten vermutlich konventionelles Zinn.
  • Einsatz konfliktfreien Tantals aus dem Kongo, zertifiziert von „Solutions for Hope“. Wird benötigt für Kondensatoren. K.hersteller aus Tschechien; Fairness unklar.
  • Von FairPhone begutachtete Arbeitsbedingungen bei bislang noch nicht gefundenen chinesischem Design- und Herstellungsbetrieb. Verlangte Standards unklar.

Unkonkretes/Pläne

  • Aufbau von Lieferwegen von konfliktfreiem Kobalt, ebenfalls aus dem Kongo. Wird benötigt für Batterien.
  • Einsatz von Fairgold-zertifiziertem Gold. Käme dann aus Kolumbien. Wird eingesetzt u.a. in Chips.

Stichproben-Vergleich: Markenfirmen und Fairness

  • Bei „Solutions for Hope“ (Tantal) sind neben FairPhone u.a. Flextronics, Foxconn,  Intel, AVX, HP, Motorola, Nokia, RIM aktiv.
  • Bei „Conflict-Free Tin Initiative“ sind neben FairPhone u.a. RIM, Motorola und einige Rohstoffakteure und Lothersteller aktiv, d.h. Zulieferer.
  • Apple wie viele andere behaupten, schon konfliktfreies Tantal einzusetzen. Das könnte allerdings auch aus Australien kommen, was von FairPhone wegen des fehlenden Entwicklungszusammenhangs abgelehnt wird.
  • Den entwicklungspolitischen Ansatz hat auch zumindest HP. HP hat auch im Conflict-free-Ranking Platz 2, nach Intel.
  • Audits in den Fertigungsbetrieben machen nahezu alle Markenhersteller, mehr oder weniger öffentlich und kritisch. Es gehört zum guten Ton, Mitglied von EICC zu sein, was meines Wissens ein Audit-Prozedere verlangt.

Meine Bewertung

  • Einziges komplexes IT-Produkt mit Fairnessanspruch mittels eines Best-of-breed-Ansatzes.
  • Im Fokus derzeit nicht die Fairness, sondern die Konfliktfreiheit der Rohstoffe, d.h. keine Aussage zu Kinderarbeit, einstürzenden Stollen und Arbeitslohn.
  • Vermutlich werden sie bei der geringen Stückzahl eher wenig Einfluss auf Fairness beim Fertiger haben. (10000 Geräte könnte Foxconn in wenigen Stunden herstellen.)
  • Die ganze Strategie macht nur Sinn, wenn das Projekt sehr langfristig angelegt wird mit stetiger Annäherung an die Ansprüche.

Quellen

Interaktive Karte der Apple Suppliers

Bislang hatte Apple lediglich die Namen der Firmen veröffentlicht, die zu ihren Produkten beitragen, in diesem Jahr ist Apple konkreter geworden und zählt einzelne Fertigungsbetriebe und ihren Standort auf. Zur Beurteilung der Fairness ist dies ein wichtiger Schritt.Die weltweite Verbreitung wird durch eine neue interaktive Karte gut sichtbar, die auf Basis der neuen Liste erstellt wurde. Wir reden also nicht nur von China, sondern z.B. auch in Deutschland liegen Vertragspartner.

Hewlett-Packard wacht wieder auf

Hewlett-Packard war lange Zeit der Good Guy unter den Kritikern der Arbeitsbedingungen in der IT-Industrie, denn HP hat als erste Markenfirma überhaupt die Liste ihrer Zulieferer veröffentlicht und soll vergleichsweise offen und transparent gewesen sein – so die Erzählungen von Aktiven aus Deutschland.Seit der Krise ihres PC-Geschäfts ist es um HP aber still geworden. Nun melden sie sich zurück mit der Pressemeldung, dass sie das strengste Kontrollsystem der Branche einsetzen wollen, um die Ausbeutung von Schülern und Studenten in ihren Pflichtpraktika als auch während Ferienjobs zu beenden. Dieser Aspekt ist in den letzten Monaten oft als „Kinderarbeit“ diskutiert worden. Es scheint nicht unüblich, Praktikanten die gleiche (Schicht-)Arbeit machen zu lassen wie sie die Angestellten verrichten.

In der taz findet man eine Zusammenfassung der HP-Initiative.

Gewerkschaftsfreiheit im Apple-Bericht

GoodElectronics, ein Zusammenschluss von Gewerkschaften und NROs zum Thema faire und grüne Elektronik hat ebenfalls eine Analyse des Apple-Zuliefererberichts veröffentlicht. Die Kritik von GoodElectronics zielt vor allem auf Apples Einschätzung der Einhaltung von Apples Verhaltenskodex in Sachen Gewerkschaftsfreiheit. Die liegt nämlich bei sagenhaften 98%, d.h. Apple hat kaum etwas auszusetzen. Mehr als die Zahl ist in dem Bericht leider nicht zu finden.Die Zahl ist verwunderlich, denn

  • in z.B. China gibt es gar keine freien Arbeitnehmervertretungen. Alle Betriebsräte sind Mitglied des parteistaatlichen Gewerkschaftsverbandes AFCTU.
  • in der Regel sind die meisten Betriebsratsmitglieder aus dem Management der Firma
  • oft wissen die Arbeiter gar nichts von einem Betriebsrat oder vertrauen der angebotenen Hotline nicht (wegen Punkt 2) und kennen allenfalls die politikfreien Freizeitangebote.

Wenn man sich Apples Verhaltenskodex allerdings anschaut wird’s klarer:

  • Es geht lediglich um Nichtdiskriminierung von Gewerkschaftsmitgliedern. Beispiel China: Die Mitarbeiter sind oft ohne ihr Wissen und Zustimmung sogar automatisch Gewerkschaftsmitglieder (und zahlen einen Teil ihres Lohns), also besteht gar kein Problem.
  • Es geht gar nicht um die Art und Macht der Gewerkschaft, z.B. ob sie Kollektivverhandlungen durchführen kann o.ä.
  • Es wird ansonsten auf Einhaltung der lokalen Gesetze verwiesen.

Dass die Gesetze in vielen Ländern – vor allen in den Freihandelszonen – nicht ausreichen, um so was wie Vereinigungsfreiheit zu erlauben oder wirksam zu machen, ist dann bei GoodElectronics zu lesen.

GoodElectronics hat also recht; zu kritisieren sind allerdings Apples unzureichenden Anforderungen an die Zulieferer.

Dazu passt die Nachricht, dass Foxconn Wahlen für eine gewerkschaftliche Vertretung vorbereitet, die sich alle 5 Jahre wiederholen sollen. Hier dürfte Apple mittels der beauftragten Fair Labor Association einiges bewegt haben. Foxconn soll selbst zugegeben haben, dass der bisherige Betriebsrat weder demokratisch noch repräsentativ war.

Die Details sind allerdings noch unklar, ein Urteil kann man jetzt noch nicht fällen. Die Modalitäten der Wahlen sind noch nicht bekannt, und freie Arbeitnehmervertretungen kann es in China schon per Gesetz nicht geben. Vergangene Versuche anderer Firmen seien gescheitert, sagen Beobachter.

Foxconn und seine Zulieferer hatten in jüngster Zeit vermehrt mit Streiks zu schaffen gehabt, so zumindest die Meldungen, die uns erreichen, siehe u.a. www.sacom.hk/archives/971, www.zdnet.de/88139355/erneut-unruhen-bei-apple-lieferant-in-china/ und www.goodelectronics.org/news-en/foxconn-workers-in-beijing-china-on-strike-over-end-of-year-bonus-and-payrise

ARD: Der Apple-Check

Unter http://www.ardmediathek.de/das-erste/reportage-dokumentation/der-apple-check?documentId=13296480 findet ihr den ARD-Beitrag „Der Apple-Check“. Ab Minute 31 wird über Foxconn, Riteng (Teil von Pegatron), QSMC (kannte ich noch nicht) und mindestens einem weiteren, ungenannten Zulieferbetrieb berichtet. In letzterem wurde sogar gefilmt. Es ist ungewöhnlich, dass die (Handy-?)Kamera nicht entdeckt wurde. Wir sehen die Bestätigung dessen, was seit mehreren Jahren berichtet wird, gut zusammengefasst.