Jedes Jahr im Februar veröffentlicht Apple seinen Bericht über die Einhaltung der Arbeits- und Umweltstandards in den Zulieferbetrieben. Basis waren im vergangenen Jahr 633 Audits, von denen allerdings nur 40 unangekündigt waren und genau 0 von unabhängigen Dritten federführend durchgeführt wurden. Die Anzahl der Audits ist enorm gestiegen. In 2013 waren es nur 451. Das ist eine 40%ige Steigerung. Das entspricht in etwa auch der Gewinnsteigerung im vergangenen Jahr, so dass man nicht davon sprechen kann, Apples Engagement stiege.
Zunächst einmal zeigen diese Berichte überhaupt, dass es arbeits- und menschenrechtliche Probleme in der Elektronikindustrie gibt. Die Audits ergaben insgesamt keine wirklichen Überraschungen, nur leichte prozentuale Verschiebungen zu den vorherigen Jahren. Apples Arbeit ist löblich und gewiss herausragend, aber sie reparieren nur, was in sich kaputt ist. Hier das meiner Meinung nach Bemerkenswerte:
Überstunden: Wie immer gab es in der Fertigungsphase des neusten iPhone-Modells (in 2014 also Nummer 6) eine signifikante Steigerung der sowieso hohen Überstundenanzahl. Jeder fünfte der untersuchten Betriebe hatte nicht geschafft, die maximal 60 Stunden einzuhalten, die selbst schon deutlich über dem gesetzlichen Maximum liegt. Zudem ist auch übers ganze Jahr gerechnet die Einhaltung der 60-Grenze zurück gegangen gegenüber dem Vorjahr, was Apple nicht weiter erläutert.
Kinderarbeit: Kinder wurden unter Fortbezug des Lohns zurück in Schulen geschickt. Das klingt so ungewöhnlich gut, dass ich es lieber zitiere: „Our Underage Labor
Remediation Program requires that any supplier found hiring underage workers fund the
worker’s safe return home. Suppliers also have to fully fnance the worker’s education at a school chosen by the worker and his or her family, continue to pay the worker’s wages, and offer the worker a job when he or she reaches the legal age. […] 16 cases of underage labor were discovered at six facilities — and all were successfully remediated.“ Das ist wirklich großartig, und ich wundere mich, dass die Zulieferer das mitmachen, um Kunde zu bleiben. Ach ja: „To date, we have terminated relationships with 18 suppliers.“
Konfliktmineralien: Apple hatte schon im letzten Jahr verlauten lassen, dass sie nur noch konfliktfreie Materialen (gemäß US-Gesetz) in ihren Geräten haben wollen, soweit normal. Nun drohen sie laut Bericht vier der Rohstofflieferanten an, Apple als Kunden zu verlieren. Nur: Apple kauft gar nicht direkt Rohstoffe auf, sondern sind nur über mindestens zwei Zuliefererbeziehungen doch eher indirekt beteiligt. Das heißt: Auch Teilehersteller müssen sich bewegen. Es zeigt sich, dass die US-Regelung aus gutem Grund bei den Markenherstellern angesetzt hat, anders als die geplante EU-Regelung.
Vermittlungsgebühren: In den Medienberichten wurden vor allem die Zurückzahlungen von Arbeitsvermittlungsgebühren erwähnt, zu denen Apple die Zulieferer zwingt. Häufig zahlen nämlich Leiharbeiter, um einen Job zu bekommen und landen hoch verschuldet in einem Zustand den man „bonded labour“ nennt, zu deutsch etwa „Schuldknechtschaft“, ein Problem das in der letzten Zeit insbesondere in Malaysias Elektronikindustrie entdeckt wurde. Apple hatte diese Zurückzahlungen allerdings schon seit 2008 veranlasst, es ist also ein alter Schuh. Ob das Zurückzahlen der Gebühren in den Fällen, in den es bei Audits aufgefallen war, aber das grundlegende Problem löst, ist zudem zweifelhaft. Abgestellt wurde das Problem seitdem offensichtlich nicht. Immerhin gibt Apple ein Versprechen: „Starting in 2015, no worker employed on an Apple line could
be charged any recruitment fees.“ Wir beobachten es.
Wie immer wird in diesen Berichten nichts über Gehälter geschrieben, dabei sind diese die Ursache für z.B. die vielen Überstunden. Eine eklatante Lücke. China Labor Watch hatte deshalb gleichzeitig mit Apples Bericht eine kritische Betrachtung der Auftragsvergabepolitik veröffentlicht. Sie behaupten, Apple hätte Aufträge von Foxconn abgezogen und an Pegatron vergeben, weil dort die Arbeitskosten geringer seien. Nicht unwahrscheinlich, aber nachweisen kann man es nicht, denn auch andere Gründe könnten ausschlaggebend sein: Foxconns Qualitätsprobleme, Unabhängigkeit, Mangel an Arbeitskraft.
Und wie Apple auf 96% O.K.ness in Sachen Gewerkschaftsfreiheit kommt, obwohl es die in China gesetzlich gar nicht gibt, hatte ich schon vor zwei Jahren beschrieben.
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Vielen Dank für den sehr informativen und interessanten Artikel:-)