Was eine „freiwillige Selbstverpflichtung“ ist war mir schon immer ein Rätsel. Nun scheint die EU-Kommission aber eben genau dies bei den Konfliktmineralien installieren zu wollen: Wer möchte darf sich verpflichten, keine Konfliktmineralien mehr zu beziehen und wird dafür auf eine öffentliche Positivliste gesetzt. Wer nicht möchte halt nicht.
In einem früheren Beitrag auf diesem Blog wurde schon auf die Absicht der EU hingewiesen, eine Regelung zu Konfliktrohstoffen zu finden. Nur kurz: Konfliktrohstoffe sind Rohstoffe, die in Konfliktgebieten (Bürgerkrieg, Miliz- oder Rebellenaktivitäten, etc.) gewonnen wurden und an deren Abbau Konfliktparteien Geld verdienen. Im engeren Sinne der existierenden U.S.-amerikanischen Gesetzgebung beschränkt man die Rohstoffe auf die Konfliktmineralien Tantal, Zinn, Wolfram und Gold (nach den englischen Bezeichnungen auch kurz 3TG genannt) und das Konfliktgebiet auf die Gegend der Afrikanischen Großen Seen bzw. Ost-Kongo und angrenzende Länder in Zentralafrika.
Die EU-Kommission (also die Gesetzesvorlagen einbringende EU-Institution) hat nun einen Entwurf vorgelegt, der folgende Eckpunkte enthält:
- Es bleibt bei 3TG, d.h. z.B. Erdöl, Holz und viele andere Rohstoffe sind nicht gemeint.
- Angesprochen sind Unternehmen der EU, die diese Metalle oder ihre ursprünglichen Rohstoffe importieren, also nicht die Auto-, Flugzeug- oder (kaum mehr in der EU existierende) IT-Industrie, sondern die Hüttenwerke oder sonstigen Erstverarbeiter. Davon sollen etwa 400 existieren, die etwa 25% des Markts an Zinn, Tantal und Wolfram ausmachen und 15% an Gold.
- Diese können sich zunächst freiwillig selbst zertifizieren gemäß OECD-Richtlinien und dies dann bei einer Kontaktstelle des zuständigen EU-Landes zur Kontrolle einreichen. Wird diese Kontrolle bestanden, kommt man auf eine Positivliste.
- Als Dank für das Engagement
- ist diese Liste öffentlich,
- bekommt man ggf. politisch-administrative oder finanzielle Unterstützung und
- wird man bei öffentlicher Auftragsvergabe bevorzugt.
- Es gibt auch nachträgliche Kontrollen. Als Sanktion bei Nichteinhalten der Anforderungen wird das Unternehmen von der Liste wieder gestrichen.
Ohne die o.g. U.S.-amerikanische Gesetzgebung namens Dodd-Frank Sect. 1502 (DF1502) wäre die EU vermutlich nicht auf die Idee gekommen eine eigene Regelung einzusetzen, daher hier ein Vergleich:
- DF1502 beinhaltet eine Nachweispflicht, die EU-Regelung etabliert hingegen eine freiwillige Listung einer freiwilligen Selbst-Zertifizierung an.
- DF1502 meint nur Ost-Kongo und Nachbarschaft, die EU bezieht alle Konfliktgebiete ein, ohne allerdings explizit zu definieren, welche es sind. In einer FAQ werden neben D.R.Kongo auch Kolumbien, Mali, Sudan und die Elfenbeinküste genannt.
- DF1502 verlangt einen Nachweis von allen Herstellern die 3TG in ihren Produkten haben, die EU bietet ihre Dienste nur für direkte Importeure der Rohstoffe oder Metalle an. „Dodd-Frank takes care of downstream users, and the European Union is taking care of the upstream.“ (Upstream = Veredelung, d.i. von der Mine zur Hütte bzw. vom Stein zum Metall, Downstream = Verbrauch, d.i. von der Hütte zum Endbenutzer bzw. vom Metall zum Produkt)
Der größte Kritikpunkt ist die Freiwilligkeit. So hat eine Reihe von NGOs schon im September eine verpflichtende Sorgfaltspflicht gefordert. Auch EU-Parlamentsabgeordnete haben, als erste Entwürfe durchsickerten, in einer ausführlichen Stellungnahme eine „legally binding obligation“ verlangt. Als wenige Tage vor Veröffentlichung des Entwurfs erste Leaks die Freiwilligkeitsregelung offenbarte, haben sogar US-Senatoren und John Ruggie, der UN-Sonderbeauftragter für Menschenrechte und transnationale Unternehmen, versucht zu intervenieren. Ohne Erfolg, denn sogar ein zunächst vorgesehener Passus wonach die Freiwilligkeit automatisch nach einigen Jahren in eine Verpflichtung umgewandelt würde, wurde gestrichen und durch ein „könnte“ ersetzt. Entsprechend zeigte sich wenigstens der Bundesverband der Industrie zufrieden, dass ihre Empfehlungen umgesetzt worden seien.
In einer Stellungnahme sagte ein EU-Mitarbeiter, Firmen die sich nicht beteiligen würden stünden am Pranger. „We don’t need to hit them because they’d be hitting themselves if they did not comply.“ Was für eine gesetzgeberische Logik ist das? Die OECD-Richtlinien, nach denen sich die EU-Regulierung orientiert, existieren schon lange und sind auch freiwillig, aber erst mit DF1502 haben die Firmen begonnen, sich ernsthaft mit ihrer Verantwortung zu beschäftigen.
Außerdem gibt die EU selbst zu, dass bislang nur 20% der Hütten und 40% der Veredler sich freiwillig eine Sorgfaltspflicht auferlegt haben. Überhaupt nur 12% der relevanten nicht von DF1502 direkt betroffenen Aktienunternehmen äußern sich freiwillig zu Konfliktmineralien auf ihren Webseiten. Warum sollten sie es jetzt tun?
Man setzt wohl auf die Macht der Medien. Aber wer interessiert sich schon für die direkt rohstoffverarbeitenden Betriebe?
Wie die EU den Embargoeffekt, den sie selbst als prägend für ihren Entwurf sehen, vermeiden wollen ist ebenfalls unklar. Die Erweiterung auf alle Konfliktgebiete ist in diesem Sinn ein Fortschritt, der Effekt wird dadurch allerdings nicht vermieden. Eine denkbare Belohnung für den Aufbau konfliktfreier Wege aus Konfliktgebieten unterstützt die EU-Regelung nämlich nicht. Auch bei der EU wie schon bei DF1502 wird derjenige mehr Nachweisarbeit haben, der aus Konfliktgebieten bezieht.
Wie Firmen, die sich erfolgreich listen lassen, bei öffentlichen Aufträgen bevorzugt werden sollen bleibt rätselhaft, denn keine öffentliche Stelle kauft direkt bei den Importeuren ein. Und eine indirekte Bevorzugung von Produktherstellern, die dort einkaufen, bedürfte eines aufwändigen Nachweises, der im Vorfelde vom zuständigen Kommissar Karl De Gucht immer kritisiert wurde. Im übrigen wird ja nicht nur bei EU-Unternehmen gekauft.
Nun ist das Ende Mai von uns neu zu wählende EU-Parlament gefragt, das im September über den Gesetzesentwurf abstimmen wird, so dass es an April 2015 erstmals eine dann jährlich veröffentlichte Liste der „verantwortungsvollen Hütten und Raffinerien“ geben könnte.