Das aktuelle Dossier von Dominic Johnson (bekannt vielleicht als taz Auslandskorrespondent) vom Pole Institute mit dem Titel „No Kivu, no conflict? The misguided struggle against ‚conflict minerals‘ in the DRC“ ist eine wichtige Quelle, um ein wenig hinter die Kulissen der Konfliktfrei-Zertifizierung von Mineralien aus der Demokratischen Republik Kongo schauen zu können.
Situation
Der im Ost-Kongo viele Jahre schwelende Krieg zwischen Regierungstruppen und Milizen ist nicht durch den Kampf um die Rohstoffe entstanden und auch nicht von ihnen abhängig. In der ursprünglich agrarischen Ökonomie ist der Rohstoffabbau eine zusätzliche, in manchen Gegenden inzwischen allerdings alleinige Einnahmequelle der Bevölkerung, die ohne Maschinen und kaum Werkzeug Zinnerz (Cassiterit) aus der Erde gräbt oder Tantalerz (im Kongo Coltan genannt) von der Oberfläche sammelt.
Die Milizen nutzen dieses Geschäft indem sie Schutz- und Wegzoll fordern oder Minen gleich ganz übernehmen und deren Erze verkaufen. Solche Erze nennt man „Konfliktmineralien“. Erze an denen das Militär – welche Partei auch immer – nichts verdient nennt man „konfliktfrei“.
Das Börsengesetzpaket Dodd-Frank-Act der USA von 2010 regelt im Abschnitt 1502 dass börsennotierte US-Unternehmen, die in ihren Produkten Rohstoffe aus dem Ost-Kongo und angrenzenden Ländern beziehen, in ihren Pflichtberichten diese als „not DRC conflict free“ oder eben „DRC conflict free“ bezeichnen müssen, je nach Zertifizierung, die im übrigen nicht weiter geregelt ist. Nach einer Phase faktischen Embargos – wer geht schon das Risiko ein, potenzielle Konfliktmineralien einzukaufen, wenn die Rohstoffe auch in Australien, China oder Kanada zu bekommen sind? – haben Firmen damit begonnen, Zertifizierungen einer Konfliktfreiheit aufzubauen.
Fair
Irgendwoher beschaffen sich die Militärs und Milizen ihr Geld, wenn nicht von Rohstoffen dann woanders her. Die Bevölkerung jedoch kann nicht ausweichen. Bekommt sie kein Geld durch ihre Rohstoffförderung, fehlt es. Und selbst wenn die Mine konfliktfrei ist, ist die Lebenssituation der Bevölkerung unverändert schlecht. Der Begriff „Konfliktfreiheit“ der Mineralien hat somit keinen erkennbaren inhaltlichen Zusammenhang mit „Fair“ oder gar „Fair-Trade“.
Conflict-free
Der Begriff „Konfliktfreiheit“ der Mineralien korreliert auch nicht mit einer „Konfliktfreiheit“ des Kongo an sich. Verdienen die Männer und Jugendlichen aus Gebieten mit „not DRC conflict free“ Minen kein Geld mehr, laufen sie zum Militär oder den Milizen über . Zudem: Der militärische Konflikt herrscht in erster Linie in Nord- und Süd-Kivu, die Erze hingegen sind über eine größere Fläche verteilt, siehe Bild:
Die Entwicklung ist aber laut Johnson, dass auch angrenzende Provinzen, etwa Katanga und Maniema zunehmend Gewalt herrscht. Folge des Dodd-Frank-Act kann also auch sein, dass Programme der Konfliktfreiheit in Kivu die Einnahmequellen der Bewaffneten lediglich vertreiben in angrenzende Gebiete.
Die Probleme im Kongo sind laut Johnson nicht wirtschaftlich, sondern politisch zu lösen. Der Staat mit seiner tausend Kilometer entfernten Hauptstaat ist im Osten des Landes sei derzeit zu schwach dazu. Von Korruptionsfreiheit und Transparenz kann nicht die Rede sein.
Hier eine Betrachtung der beiden wichtigesten konfliktfreien Quellen, die Teil der Zulieferkette des „Fair“Phone sind:
Cassiterit
Das Lötzinn (und damit nur ein Teil des Zinns in dem Phone) kommt von Alpha. Die wiederum arbeiten mit in der„Conflict Free Tin Initiative“ (CFTI) vom GeSI und EICC, so dass anzunehmen ist, dass das Cassiterit aus der Kalimbi Mine im Süd-Kivu kommt.
Das Projekt wurde von der Holländischen Regierung unterstützt und von vielen anderen Firmen mitgetragen, u.a. Philips, RIM, HP, Motorola. Das Projekt ist noch nicht abgeschlossen, und in Johnsons Bericht steht leider nicht viel dazu. Es gibt aber einen guten Filmbericht von Al-Jazeera über diese Initiative, der auch die Probleme aufzeigt: Abhängigkeit von nur einem Händler (WMC), schwere Kontrollierbarkeit, Risiko des Mischens mit Konfliktmineralien, geringer Verdienst der Schürfer, zu geringe Mengen, nur langsamer Fortschritt.
Coltan
Die Tantal-Kondensatoren in dem Phone kommen von AVX, welches bei „Solutions for Hope“ Projekt mitmacht, woraus folgt dass das Coltan aus Nord-Katanga und der dortigen Kisengo Mine kommt. Laut Johnson ist dies eine „high risk area“, was auch schon mal dazu geführt hat, dass Zertifizierung ausgesetzt werden musste. Auch hier sind die Schürfer abhängig von nur einem Händler (MMR) und verdienen sehr wenig an der Bergarbeit. Aus einem Bericht des Zertifizierungsprojektes zitiert Johnson ernsthafte Probleme: Neben den genannten finanziellen Problemen werden Kinder eingesetzt und ist die Regierungsarmee FARDC in Zwangsprostitution und Vergewaltigung verwickelt, wahrlich keine „faire“ Umgebung.
In anderen Minengebieten, in denen Zertifizierungen versucht werden sollen, etwa in Maniema, ist die Situation derzeit nicht anders. Das Fazit ist also etwas ernüchternd, gegen den Kauf der zertifizierten Ware spricht sich Johnson aber nicht aus.
Ergänzung: In der taz vom 16.7.13 hat Johnson einen interessanten Bericht über eine kongolesische Coltan-Mine geschrieben, die sich anschickt zertifiziert zu werden. Es wird deutlich, was konfliktfrei im Kongo maximal bedeuten kann. Siehe http://www.taz.de/Bergbau-im-Kongo/!120004/
Ebenso ernüchternd seine Meinung zum Thema „Dodd-Frank-Act“ unter dem Titel „Gut gemeint, mehr nicht“, die widerspiegeln, was ich hier schrieb.
In einem Kommentar zu seinem eigenen Artikel rückt Johnson die Verhältnisse wieder in ein rechtes Licht:
„Ja, die Arbeitsbedingungen im Coltanabbau sind schlecht – die Arbeitsbedingungen außerhalb sind aber nicht besser, im Gegenteil. Warum strömen denn die Leute zu Zehntausenden in die Minen, statt davor wegzulaufen? Knochenarbeit für 10 Dollar am Tag ist besser als Knochenarbeit für nix, und sogar ein Kongolese im Dienst der UNO verdient weniger als das. In einem Land, wo Kleinkinder Wasser im Volumen ihres Körpergewichtes schleppen müssen sobald sie laufen können und wo es die Ausnahme ist, überhaupt für seine Arbeit bezahlt zu werden, ist das besser als alles andere, was für die Leute tatsächlich erreichbar ist.“