Fairness bedeutet unter anderem: dem anderen zu geben was ihm zusteht, sich an die Spielregeln eines kooperativen Beisammenseins zu halten und eine Situation nicht zu ungunsten des anderen auszunutzen.
Apple tut genau das nicht. (Und ich meine nicht deren Steuertricks.)
Dieser Tage hat Apple wie jährlich im Februar ihren Zuliefererbericht veröffentlicht mit Auflistung all der fürsorglichen Wohltaten zu denen der Konzern als Auftraggeber rechtlich gar nicht verpflichtet wäre. Es kommt einiges zusammen, vieles zwar nur spät reagierend auf schon lange dokumentierte Missstände, aber auch proaktives auf zu befürchtende Arbeitsrechtsverletzungen. Apple bewegt etwas, auch wenn es wundert, dass in jedem Jahr immer wieder die gleichen Probleme auftauchen, vielleicht weil Apple Konsequenzen immer nur androht, aber selten tatsächlich durchzieht. Greenpeace lobt dass Apple verstärkt konfliktfreie Rohstoffe einsetzen möchte (was Apple selbst allerdings schon 2011 versprach), SACOM kritisiert dennoch bleibende Lücken.
Wenn man aber mal einen Schritt zurückgeht merkt man, dass dies Almosen eines profitgierigen Konzerns sind: Apple gibt den Zulieferern und den Arbeitern nur ein klein wenig von dem was ihnen sowieso zusteht und macht damit auch noch Werbung. Das ist was ich unfair nenne.
Apples Profitmarge
Einer der großen Auftragnehmer von Apple ist der Fertiger Foxconn. Die operativen Margen von Foxconn sind von 3,7% in Q1/2007 auf 1,5% in Q3/2012 gesunken. Apples Margen hingegen sind im gleichen Zeitraum von 18,7% auf 34% gestiegen, in Q1/2012 sogar auf fast 40%, als Foxconn nur bei 0,9% lag.
Die Arbeitskosten an einem iPhone, die in den chinesischen Werken landen (und mitnichten direkt bei den Arbeiter/innen) liegen je nach Berechnung und Modell lediglich zwischen 1,8% und 1,2%, während Apple sich selbst 60 bis über 70% gönnt, daraus allerdings die Entwicklungs-, Support-, Software- und Marketingkosten begleichen muss. Dennoch scheint die Profitmarge bei PCs deutlich geringer zu sein, und sie fällt sogar. Im Vergleich sind die Arbeitskosten bei einem Samsung Galaxy ähnlich gering, machen aber deutlich mehr Prozent des Verkaufspreises aus.
Eine beispielsweise Verdoppelung der Gehälter der Arbeiter oder das Einrichten eines Fonds wie bei Fairphone würde sich also kaum auf den Gerätepreis auswirken oder Apples Marge signifikant reduzieren.
Das gilt aber für alle Hersteller: Die Chinesische Volkswirtschaft macht wegen der vielen Aufträge im IT-Massenmarkt zwar zunehmende Exportgewinne, aber der Anteil pro Gerät sank in der Zeit von 2001 bis 2010 um ein Viertel. Die steigenden Gewinne bleiben bei den Marken.
Die Gehälter in China sind in der Elektronikfertigungsindustrie durchaus gestiegen (allerdings geringer als in anderen Fertigungsbranchen) was aber nicht zurück zu führen ist auf verbesserte Vertragsbedingungen mit den Auftraggebern, sondern auf den erhöhten Mindestlohn aufgrund gestiegener Lebenserhaltungskosten und auf die zunehmende Konkurrenz um die knapp werdende Arbeitnehmerschaft. Konkret: die erhöhten Gehälter werden aus Foxconns Gewinnmarge bezahlt, nicht aus der von Apple.
Um mithalten zu können ist die logische Reaktion der Anbieter billiger und effizienter zu produzieren und soweit möglich bei Löhnen, Sicherheit und Gesundheitsschutz zu sparen, ungeachtet der Forderungen von Apple in ihren Zulieferberichten. Ein ungenannter Apple-Manager sagt: „You can set all the rules you want, but they’re meaningless if you don’t give suppliers enough profit to treat workers well. [..] If you squeeze margins, you’re forcing them to cut safety.“
Flexibilität und Konkurrenz
Der Kostendruck ist das eine, Anforderungen an die Flexibilität aber noch wichtiger. Legendär ist die Geschichte dass Steve Jobs kurzfristig die Plastikfront des ersten iPhone-Prototyps durch Glas ersetzen lies, als er merkte dass Plastik zerkratzt. Die ersten Geräte hatte Foxconn zu dem Zeitpunkt schon hergestellt. Nur ein Kontraktfertiger wie dieser konnte es schaffen, kurzfristig die (genau deshalb vor allem manuelle) Produktionslinie umzustellen und befristet ausreichend Arbeiter einzustellen um auch die schon produzierten Geräte umzurüsten.
Neben Flexibilität im Design verlangt Apple auch Flexibilität im Produktionsvolumen, denn eine Marktvorhersage ist nur schwer möglich. Während damals der Absatz des iPhone 4S unterschätzt wurde, wurde der des iPhone 5C überschätzt. Für solche Unwägbarkeiten muss ein Produzent Kapazitäten vorhalten oder schnell auf- und abbauen können.
Er kann es nur unter Ausnutzung von Überstunden und Zeitarbeit, z.B. durch Schüler und Studierende. Diese Flexibilität bei gleichzeitiger Weisungsgebundenheit ist kaum möglich ohne Brechen der an sich guten chinesischen Arbeitsgesetze. Die Soziologin Ngai Pun und ihr Team an der Universität Hong Kong schreiben: „At the workplace level, very short delivery times imposed by Apple and other multinationa corporations make it difficult for suppliers to comply with legal overtime limits.“
Allmähliche Verbesserungen der Arbeitsbedingungen, wie sie in Foxconn-Werken stattfanden, werden dadurch Makulatur, dass aktuell Apple bevorzugt deren Konkurrenz beauftragt, nämlich die Firmen Pegatron und Quanta. Deren Arbeitsbedingungen fallen wieder hinter die Fortschritte zurück. Kein Wunder, sonst könnten sie auch nicht gegen Foxconn konkurrieren.
Apple nutzt geschickt diese Konkurrenzsituation aus. Die Firma Wintek war Hersteller der Touchpanels der ersten iPhone-Generationen. Im Jahr 2009 gab es einen Unfall mit dem Lösungsmittel n-Hexan, mit dem sich mindestens 137 Mitarbeiter vergiftet haben. n-Hexan dient der Säuberung der Paneloberflächen und verflüchtigt sich schneller als das übliche Ethanol. Apple hat Wintek dafür in ihrem 2011er Supplier Report kritisiert und Verbesserung angemahnt. Mitnichten hat Apple der Firma Gelegenheit gegeben, sorgsamer zu produzieren. Wintek hat x-Hexan nach Streiks abgeschafft, Entschädigungszahlungen leisten müssen und litt fortwährend unter Qualitätsproblemen. Inzwischen zahlt Apple nur noch den halben Preis für das gleiche Teil (was Wintek erst abgelehnt und dann doch akzeptiert hat) und bevorzugt dem MItbewerber TPK Aufträge gegeben, aber wieder Wintek gefragt als auch TPK nicht liefern konnte.
Apples eigene Verantwortung
Wenn Apple einen Zuliefererbericht schreibt urteilt es über die Einhaltung von Standards bei den anderen. Die Kosten für die dort verlangten Programme zur Unternehmensverantwortung sind aber selbstverständlich von diesen selbst zu übernehmen. Ein Auditor: „Contractor factories, not provided with financial support for CSR policies required by the brands, instead face slashed profit margins and additional costs that can be made up only by further squeezing their own labor force.“
Aber den Zulieferbetrieben fehlt schlicht das Geld und die Gelegenheit, bessere Arbeitsstandards durchzusetzen. Es ist daher überaus zynisch, wenn sich das Apple-Regime ein paar Verbesserungen selbst raussucht und dann sagt „We care about every worker in our supply chain“.
Ist es ein Zufall, dass Apple im 2010er Bericht noch schrieb „Apple is committed to ensuring the highest standards of social responsibility throughout our supply chain.“ und es seit 2011 änderte zu „Apple is committed to driving the highest standards of social responsibility throughout our supply base.„ Aus einem Sicherstellen wurde ein Antreiben.
Apple hat die Macht und kann bestimmen kann was die Zulieferer tun und lassen. Apple bestimmt daher auch, wie gut die Arbeitsbedingungen sein können. Steve Jobs hat mal gesagt, Foxconn sei kein Sweatshop. Ökonom Lang Xianping antwortete: „If Foxconn is not a sweat shop factory, then Apple, as the rule setter, shall be the sweat shop brand.“
Eine Kaufempfehlung
Die Situation bei anderen großen Herstellern ist nicht grundlegend anders, die Profitmarge bei Apple aber aufgrund der hohen Preise der Geräte ungewöhnlich hoch. Man kann bei der fairen Elektronik kaum Kaufempfehlungen geben, denn zu unsicher und unvollständig sind die Informationen, die man erhält über die Arbeitszustände in den Fabriken und über die Vertragsbeziehungen zwischen Fertigungsbetrieb und Markenfirma.
Zu einer Empfehlung kann ich mich dennoch durchringen: Wer möglichst wenig Prozent des Kaufpreises für Fairness ausgeben möchte, sollte bei Apple kaufen.