Das US-amerikanische Dodd-Frank-Gesetzespaket zur Regulierung der Finanzmärkte beinhaltet auch zwei für die IT-Industrie unmittelbar wichtige Teile: Im Abschnitt 1502 wird eine Veröffentlichungspflicht für Rohstoffgeschäfte und im Abschnitt 1504 eine Veröffentlichungspflicht für Zahlungen an Regierungen geregelt. Verpflichtet werden börsennotierte US-Firmen. Während 1504 in diesem Jahr auch in der EU auf ähnliche Weise umgesetzt wurde, gibt es für 1502 nun eine Absichtserklärung und Pläne für’s nächste Jahr. Um diese wird derzeit Lobbyarbeit betrieben.
Dodd-Frank Sec. 1502
Schon zur Jahrtausendwende gab es Berichte, dass Militärparteien, seien es Rebellen oder unterbezahlte Regierungstruppen, an dem Mineralhandel in der D.R. Kongo verdienen und Treiben damit finanzieren. Die Fürsorgepflicht aller beteiligten Parteien, zuvorderst der Regierungen der Länder, bei Rohstoffgeschäften auch auf die Einhaltung der Menschenrechte zu achten, ist Gegenstand einiger internationaler Abkommen, sei es der Global Compact oder die OECD-Richtlinien.
Mit dem Dodd-Frank-Act Section 1502 liegt in den USA seit 2010 zum ersten Mal aber eine gesetzliche Verpflichtung vor, Stellung zu beziehen zu diesen „Konfliktrohstoffen“ und zwar im Rahmen von Börsenberichten. Es wird nichts verboten, man muss lediglich berichten, wenn man diese riskanten Geschäfte tätigt.
Allerdings enthält die Regelung die wahnwitzige Konstruktion, dass dies lediglich Rohstoffgeschäfte in der D.R. Kongo und angrenzenden Gebieten und lediglich Geschäfte mit den für die Computertechnik wichtigen Erzen für Zinn, Wolfram und Tantal, zudem Gold (so genannte 3TG, gemäß den englischen Bezeichnungen) umfasst.
Erste Folge von 1502 war deswegen, dass die Firmen lieber aus anderen Ländern ihre Rohstoffe bezogen und daher dass das Geschäft mit den Mineralien im Kongo zusammenbrach, es den Menschen noch schlechter ging und der illegale Schmuggel oder der Dienst an der Waffe (der eigentlich vermieden werden sollte) oft als einzige Alternative blieb.
„Conflict-affected and high-risk areas“
Drei Jahre später und um einige Erfahrungen reicher startete die EU Mitte des Jahres eine Richtlinieninitiative zur Regulierung und Offenlegung von Rohstoffgeschäften aus Risiko- und Konfliktgebieten. Bislang wurden Stellungnahmen verschiedenster Interessensgruppen eingeholt und eine erste Auswertung vorgenommen. Es geht um die menschenrechtliche Bewertung von riskanten Rohstoffgeschäften durch die Firmen selbst und deren Veröffentlichung. Die Firmen sollen nachweisen, dass sie die nötige Sorgfaltspflicht („due diligence“) gewahrt haben.
Die genaue Ausformulierung dieser Forderungen stehen noch aus. Gerüchten zufolge sollen insbesondere deutsche Firmen für die Zurückweisung einer ersten Folgenabschätzung verantwortlich sein, so dass es unklar bleibt, ob eine Regelung noch vor den EU-Wahlen im Mai beschlossen wird.
Stellungnahme der Zivilgesellschaft
Die im September veröffentlichte Stellungnahme „Breaking the Links Between Natural Resources and Conflict: The Case for EU Regulation“ von knapp 60 zivilgesellschaftlichen Organisationen, auch das FIfF, begrüßt die EU-Initiative und sieht die Regulierung von Zulieferverantwortung entlang menschenrechtlicher Standards als wichtigen Baustein zur Verbesserung der Situation in den Mineralien-exportierenden Ländern.
Wichtig ist uns,
- dass es auf Basis der bewährten OECD-Richtlinien
- eine rechtlich bindende, einklagbare, sanktionierbare Verpflichtung zur Sorgfaltspflicht geben wird (denn Freiwilligkeit hat sich nicht bewährt),
- für alle Beteiligten, Zulieferer als auch Verarbeiter,
- die direkt oder indirekt in Krisengebieten (und zwar nicht nur DRK und östliche Nachbarn)
- Geschäfte mit Rohstoffen aller Art (nicht nur 3TG) machen,
- begleitet von Audits und
- transparent, d.h. mit Veröffentlichungspflicht der Anstrengungen.
Auch in Kolumbien verdienen Milizen and Rohstoffgeschäften mit Gold und Coltan, aber nicht nur damit, sondern auch mit Öl und Kohle. Ebenfalls Myanmar mit seinen Kupfer und Zinnreserven. Im Südosten Kongos wird zudem ebenfalls Kupfer und vor allem Kobalt abgebaut. Die Gegend ist befriedet, jedoch ist die Arbeitssituation nicht hinnehmbar, weder die Belastung der Sklaven-ähnlich beschäftigten Kinder noch die Gefährlichkeit der Handarbeit unter Tage noch die geringen Löhne, die die dort operierenden Rohstoffkonzerne zahlen.
Die OECD hat schon seit längerem ein Programm zur Sorgfaltspflicht bei Rohstoffgeschäften in Krisengebieten formuliert, denen hier und da schon gefolgt wird. Die Forderung der NGOs ist kurz gefasst: Diese Leitlinien sollen verpflichtend, mit Sanktionen belegbar, transparent und mit Audits begleitet werden.
Es wird klar gestellt, dass eine Regulierung dieser Art nur mit gleichzeitiger Stärkung der lokalen Behörden vor Ort funktionieren kann; über deren Form
Stellungnahme der Industrie
Als erstes Beispiel für einen industriellen Standpunkt kann die Stellungnahme von IPC, der „Association Connecting Electronics Industries“ dienen. Sie beziehen sich ebenfalls auf die schon vorhandenen „OECD Due Diligence Guidance for Responsible Supply Chains of Minerals from Conflict-Affected and High-Risk Areas“, die nicht nur vom Namen her eine nahe liegende Referenz sind, und warnen vor dem aus ihrer Sicht erfolglosen und schädlichen 1502. Zulieferverantwortung kann die Probleme nicht beseitigen, es bedarf grundlegender Verbesserung der Situation durch die Regierungen vor Ort, so die Argumentation. Die Probleme seien politischer, nicht ökonomischer Art und auch nicht einzig auf die Rohstoffgeschäfte zurückzuführen. Aufwändige Herkunftsnachweise und Untersuchungen, die zudem abhängig von wenig motivierten, weil nicht betroffenen Zwischenhändlern sind, würden vor allem kleine Firmen dazu zwingen, die Region zu verlassen. So wird aus „konfliktfrei“ schnell „Kongo-frei“. IPC mahnt daher eine vorsichtige Implementierung der Regulierungen an. Eine Erfolgsanalyse sei nötig.
Der Bundesverband der deutschen Industrie hat eine Studie in Auftrag gegeben und sie im September präsentiert. Sie enthält Empfehlungen ohne dass man wüsste, ob der BDI diese übernimmt und unterstützt. Die Ablehnung eines EU-Dodd-Frank ist aber eindeutig: Zu teuer: selbst ein mittelständischer Reißverschlusshersteller müsste nachforschen, ob sein Produkt Konfliktzinn beinhaltet. Zu wirkungslos: ohne Stärkung der Regierung, der Verbesserung der Sicherheitslage und unter den vorherrschenden Korruptionsbedingungen ist die Konfliktfinanzierung nicht zu stoppen. Zu gefährlich: die Bevölkerung ist abhängig vom Bergbau, eine Veröffentlichungspflicht würde einem faktischen Boykott gleichen.
Was von der EU zu erwarten ist
Ein paar Einschätzungen des zuständigen EU-Kommissars für Handel, Karel De Gucht, gibt es schon:
- Es besteht kein Zweifel, dass Gelder aus Rohstoffgeschäften Konflikte finanzieren.
- Es soll nicht nur den Kongo und dessen Nachbarländer umfassen. Zumindest Lateinamerika wird explizit erwähnt. Es ist anzunehmen, dass die EU den Begriff „conflict-affected and high-risk area“ entsprechend und anpassbar definiert.
- Die Regelung soll kompatibel zu vorhandenen, freiwilligen Strukturen sein, explizit ebenfalls zu den OECD-Leitlinien, aber auch zu den Dodd-Frank-Pflichten, so dass den Firmen nicht noch mehr Arbeit aufgebürdet wird. (Eine Folge könnte sein, dass auch die EU nur 3TG-Mineralien zum Ziel hat. Neben den Regulierungen von Holz- und Diamantgeschäften hätten wir dann weitere Inselregelungen.)
- Der Kontrollpunkt soll nicht wie bei Dodd-Frank bei den Rohstoff-verbrauchenden Produzenten, sondern bei den Schmelzereien und verarbeitenden Werken ansetzen, weil dort die Anzahl der Beteiligten am geringsten ist und Kontrolle am einfachsten. Frage ist, ob nur europäische Schmelzer zur Verantwortung gezogen werden sollen oder indirekt alle, indem – ähnlich Dodd-Frank – alle Einkäufer ihre Partner offenlegen müssen.
- Die Regelungen sollen begleitet werden mit Maßnahmen zur Entwicklungszusammenarbeit, allerdings bliebt unklar wie die EU verhindern will, dass sich ein ähnlicher Embargo-Effekt wie bei Dodd-Frank einstellt. Eine Idee ist, sauberen Handel mit betroffenen Gebieten zu unterstützen.
Ob das ganze eine Verordnung, Richtlinie oder ein EU-Beschluss wird oder gar nur eine Empfehlung bleibt ist nicht entschieden. So oder so wird diese Regel das Handeln der Firmen beeinflussen. Uns Verbrauchern bietet es die seltene Chance, die entstehende Transparenz des Agierens der Hersteller von Smartphones, Laptops und Desktops für unsere Kaufentscheidung zu nutzen.
Hinweis: Zu dem Thema Konfliktmineralien, Dodd-Frank-Folgen und die absehbare EU-Regulierung werde ich auf dem 30. Choas Communication Congress des CCC am 30.12. in Hamburg einen Vortrag halten.
Den Vortrag mit dem Titel „Dead Man Edition“ findet man bei YouTube unter http://www.youtube.com/watch?v=JXdp1Y5Zj_E
Es gibt Neuigkeiten in Sachen EU-Regulierung:
– Es scheint eine freiwillige Teilnahme zu geben. Anders als in den USA wäre dann eine Firma nicht verpflichtet zu veröffentlichen, dass ihre Produkte nicht konfliktfrei wären. Wohl aber könnte eine Firma den Status der Konfliktfreiheit zu Werbezwecken nutzen, wenn sie es erreicht haben. Das wäre dann eine Art staatliches Siegel.
– Die Kriterien zur Vergabe sind noch unklar.
– Es wird bei den 3TG-Rohstoffen bleiben, erstmal.
– Es wird auf mehrere Länder ausgedehnt, wobei die genannten Beispiele Myanmar und Afghanistan mir bislang nicht als 3TG Lieferanten aufgefallen sind.
Ursprünglich sollte ein Abkkommen schon Ende 2013 fertig werden, aber u.a. die deutsche Industrie soll interveniert haben. Deren Erfolg ist dann wohl die Freiwilligkeit.