Samsung gibt Kinderarbeit zu, allerdings nur bei Zulieferer des Zulieferers

Die Umweltschutzorganisation „Friends of the Earth“ (FoE) hatte im November einen Bericht vorgelegt über die Zerstörungen beim Zinnabbau in Indonesien. Sie haben daraufhin eine Online-Kampagne gestartet mit automatisch versendeten Briefen an Apple und Samsung und der Aufforderung, die Herkunft ihres Zinns zu veröffentlichen.

Samsung hat tatsächlich geantwortet, in mitten 15.000 anderen auch mir, mit dem üblichen „Wir tun das Bestmögliche“-Geschreibse. FoE sind dabei nicht stehen geblieben: Sie demonstrierten vor Samsung-Konzerngebäuden und bei Chelsea-Spielen.

Und siehe da: Samsung hat nachgelegt und erklärt, dass es wahrscheinlich ist, dass ihre Geräte Zinn der Bankga-Inseln, Indonesien beinhaltet. Gemäß der Recherchen von FoE folgt daraus auch der Einsatz von Arbeitskräften unter 16 Jahre.

1:0 für Samsung schreibt FoE und fordert dazu auf, Apple weiterhin Briefe zu schreiben. Ich bin mir sicher, dass Apple kein Statement abgeben wird, das wäre nicht deren Stil.

Das ABC in Sachen Samsung: Klagen gegen den Konzern

Ich bedauere es ja, dass Samsung nicht die Aufmerksamkeit bekommt, die Apple bekommt… ich meine im kritischen „Wir wollen fair hergestellte Geräte!“-Sinn. Die deutsche Version der Technology Review hat zwar jüngst in einem Artikel wenig positiv über den Führungsstil und Wettbewerbsstil des Konzerns berichtet, aber das gab es schon an anderer Stelle. Neue Enthüllungsberichte gibt es derzeit nicht. Dennoch greifen langsam die Gegenstrategien

A) Klage gegen Samsung in Frankreich

Drei Organisationen aus Frankreich haben Samsung verklagt wegen Nichteinhaltung der in den eigenen Verhaltenskodizes veröffentlichten Richtlinien. Die Organisationen beziehen sich dabei auf die Entdeckungen von China Labor Watch, dass in Auftrags- und Samsung-eigenen Firmen Kinder beschäftigt werden, während Samsungs „Sustainability Report 2012“ dies klar untersagt: „Samsung Electronics abides by all labor and human rights laws in each region it operates and strictly enforces a ban on child labor“. Die Klage wurde Ende Februar eingereicht, von dessen Fortgang weiß ich nichts. Samsung bestreitet die Kinderarbeitsvorwürfe.

B) Erste Gepräche mit Menschenrechtlern von SHARPS

SHARPS ist die Organisation von Samsung-Opfern, die die Krebsfälle dokumentiert, veröffentlicht und Klage gegen Nichtzahlung von Entschädigungen eingereicht hat. Die staatliche Entschädigungsstelle für einige Opfern hat schon letztes Jahr erstmals Zahlungen angewiesen. Weitere Klagen sind noch anhängig. Gleichzeitig scheint inzwischen ein Dialog begonnen zu haben zwischen Samsung und SHARPS. Auf Nachfrage schrieb mir Dr. Kong von SHARPS, dass zwei Termie stattfanden. Kong hatte den Eindruck, dass Samsung die Fälle aus den Medien haben möchte, indem die Firma selbst Entschädigungen zahlen will. Die Opferfamilien möchten aber die Öffentlichkeit und führen die Klagen weiter.

C) Investorenwarnung

Laut einer Beurteilung von MSCI, einer Investmentberatung, wird Samsung als besonders gefährdet angesehen, wegen Verfehlungen im Umwelt- und Sozialbereich bei zunehmend kritischen Beobachtung Imageschaden zu erleiden: „We believe Samsung is not adequately prepared for the level of scrutiny it is starting to feel“. Wegen des schlechten Management rangiert es noch unter Apple, wie folgende Grafik von MCSI zeigt.

ABC

Vielleicht ist dies ja der eigentlich wichtige bei Anti-Sweatshop-Kampagnen? Die Financial Times (diesmal nicht die eh nicht mehr existierende deutsche Version) jedenfalls klagt über Samsungs Verhalten. Weil A oder B könnte C passieren. Vielleicht bewegen sich die Markenhersteller ja bei sinkendem Shareholder Value.

KongoPhone und Kinderarbeit

In einem aktuellen Artikel der c’t 8/2013 wird über FairPhone berichtet. Es gibt keine neue Information über das hinaus, was ich schon in einem früheren Beitrag berichtet hatte: Tantal und Zinn sind gesichert, Gold könnte kommen, für Kobalt und Wolfram soll ein Vertriebsweg gefunden werden. Es wird bestätigt, dass das Projekt vor allem die Machbarkeit demonstrieren soll und das eigentliche Ziel ist, die großen Hersteller zu bewegen. Verhandlungen mit einem Kontraktfertiger laufen noch. Ob der Termin im Oktober zu halten ist wird zum ersten Mal etwas bezweifelt.

Einige Rohstoffe sollen konfliktfrei aus dem Ostkongo kommen, um den Menschen dort zu helfen. Ausgesprochen wird aber zum ersten Mal klar: „Eine Konsequenz davon ist, dass Kinderarbeit in unserer Lieferkette steckt.“ Es wird Zeit für diese Offenheit, insbesondere da das Projekt sich einer „radikalen Transparenz“ verschrieben hat. Transparenz ist das eine, Aufklärung von Missverständnissen das andere. Viele Medienberichte sind deshalb deutlich zu euphorisch.

Um es klar zu sagen: Die D.R. Kongo hat die entsprechenden ILO-Arbeitsnormen in Sachen Kinderarbeit unterzeichnet. Der aktuell vorhandene Abbau von Erzen im Kongo ist daher nicht nur gefühlt unfair, sondern in vielen Fällen schlicht illegal, sei er konfliktfrei oder nicht.

Diese Erkenntnis schmälert nicht die Projektabsichten von FairPhone. Entwicklungszusammenarbeit agiert immer in diesen Widersprüchen.

Was heißt „Konfliktfreie Rohstoffe aus dem Kongo“ und wie fair ist das?

Nach meiner FairPhone-Zwischenstandsmeldung vor zwei Tagen kam von einem Kollegen die Frage, wie das denn gehen solle, Kongo und „konfliktfrei“. Berechtigte Frage! Die kurze Antwort ist „Man behauptet, dass es geht“, die ausführliche Antwort folgt, ist aber leider etwas länglich, sorry.

Lage im Ost-Kongo

In der Rohstoff-reichen Gegend des Ostens der Demokratischen Republik Kongo gibt es seit Jahren keine Staatsgewalt mehr. Mehr als ein Dutzend Milizen leben davon, von Ort zu Ort, auch von Mine zu Mine zu ziehen um sich mit Waffengewalt ein Leben zu sichern. Die Regierungsarmee ist zwar vor Ort, aber genauso machtlos wie korrupt. Die Rebellenorganisation M23 hatte Ende letzten Jahres sogar die Provinzhauptstadt Goma eingenommen, über die ein Großteil des Handels mit Coltan (Tantalerz), Kassiterit (Zinnerz) und Gold der Gegend läuft. Inzwischen ist sie wieder befreit, die M23 hat aber alles mitgehen lassen, was nicht festgenagelt war.

Der Kongo ist also mitnichten konfliktfrei. In der Regel verdienen Miltärs aller Art an den Rohstoffen, indem sie einfach die Abbauorte, Transport- und Handelswege sperren und unter Gewalt und Drohungen willkürlich Schürfgebühren und Wegezoll verlangen. Schon im Jahr 2000 hat eine UN-Kommission aufgedeckt, dass auf diese Weise durch den Rohstoffhandel der Bürgerkrieg am Leben gehalten wird.

Begriff „konfliktfrei“

Rohstoffe werden „konfliktfrei“ genannt, wenn keine militärische Partei daran Geld verdient hat. Das ist in den meisten Ländern der Welt der Fall, soll aber auch im Kongo möglich sein, denn es gibt Minen, die nicht kontrolliert werden und kontrollierte Handelswege.

Konfliktfreies aus dem Kongo

Es gibt seit 2010 ein Gesetz in den U.S.A. (Dodd-Frank Sec. 1502/1504), das Hersteller verpflichtet zu berichten, wenn in ihren Produkten Rohstoffe aus dem Ost-Kongo und angrenzenden Gebieten enthalten sind. Konfliktmineralien sind nicht verboten, man muss nur berichten, wenn man sie einsetzt.

Das entspricht praktisch einem Embargo. Offensichtlich scheint es trotz aller Probleme lohnenswert zu sein, Rohstoffe aus dem Kongo zu beziehen (wegen der Preise?…das weiß ich leider nicht) so dass sich nach Verabschiedung des Gesetzes einige Firmen um konfliktfreie Wege gekümmert haben. Die maßgeblichen Projekte sind „Solutions for Hope“ für Tantal und „Conflict Free Tin Initiative“ für Zinn, beide unter http://solutions-network.org zu finden. (Leider habe ich bislang auch nicht verstanden, wie die Konfliktfreiheit eigentlich nachgewiesen wird.)

Konfliktfrei versus Fair

Das Leben der Bevölkerung wäre ohne Militärpräsenz ein Besseres, keine Frage, so gesehen ist die Bevorzugung konfliktfreier Rohstoffe ein Aspekt der Fairness. Konfliktfreiheit impliziert aber nicht all die anderen Aspekte wie Löhne, Arbeitsbedingungen, Ächtung von Kinderarbeit, etc.

Das wichtigste Förderland für Tantal beispielsweise ist Australien. Es ist anzunehmen, dass es dort nicht nur konfliktfrei zugeht, sondern auch insgesamt fairer. Wenn man konfliktfreie Mineralien aus dem Kongo bezieht, dann macht man das (außer vermutlich wegen der Kosten, s.o.) aus einem entwicklungspolitischen Ansatz heraus, weil man der Region nämlich helfen möchte.

FairPhone versus NagerIT

Das FairPhone-Projekt hat genau das zum Ziel und nutzt die Wege des Solution-Netzwerks, mit der Folge im Zweifel gar nicht das Fairste einzukaufen was zu haben ist. NagerIT, das Projekt mit der teilfairen Maus, würde hingegen in Australien einkaufen. Allerdings: In der Maus ist gar kein Tantal drin. Das Zinn kommt Europa und aus unbekannter Herkunft, siehe http://www.nager-it.de/static/pdf/lieferkette.pdf

Literatur

  • Finnwatch & Swedwatch: From Congo with no Blood, 2012 (http://makeitfair.org/en/the-facts/news/from-congo-with-no-blood)
  • Enough Project: Conflict Minerals (http://www.enoughproject.org/conflict-minerals)