KongoPhone und Kinderarbeit

In einem aktuellen Artikel der c’t 8/2013 wird über FairPhone berichtet. Es gibt keine neue Information über das hinaus, was ich schon in einem früheren Beitrag berichtet hatte: Tantal und Zinn sind gesichert, Gold könnte kommen, für Kobalt und Wolfram soll ein Vertriebsweg gefunden werden. Es wird bestätigt, dass das Projekt vor allem die Machbarkeit demonstrieren soll und das eigentliche Ziel ist, die großen Hersteller zu bewegen. Verhandlungen mit einem Kontraktfertiger laufen noch. Ob der Termin im Oktober zu halten ist wird zum ersten Mal etwas bezweifelt.

Einige Rohstoffe sollen konfliktfrei aus dem Ostkongo kommen, um den Menschen dort zu helfen. Ausgesprochen wird aber zum ersten Mal klar: „Eine Konsequenz davon ist, dass Kinderarbeit in unserer Lieferkette steckt.“ Es wird Zeit für diese Offenheit, insbesondere da das Projekt sich einer „radikalen Transparenz“ verschrieben hat. Transparenz ist das eine, Aufklärung von Missverständnissen das andere. Viele Medienberichte sind deshalb deutlich zu euphorisch.

Um es klar zu sagen: Die D.R. Kongo hat die entsprechenden ILO-Arbeitsnormen in Sachen Kinderarbeit unterzeichnet. Der aktuell vorhandene Abbau von Erzen im Kongo ist daher nicht nur gefühlt unfair, sondern in vielen Fällen schlicht illegal, sei er konfliktfrei oder nicht.

Diese Erkenntnis schmälert nicht die Projektabsichten von FairPhone. Entwicklungszusammenarbeit agiert immer in diesen Widersprüchen.

Was heißt „Konfliktfreie Rohstoffe aus dem Kongo“ und wie fair ist das?

Nach meiner FairPhone-Zwischenstandsmeldung vor zwei Tagen kam von einem Kollegen die Frage, wie das denn gehen solle, Kongo und „konfliktfrei“. Berechtigte Frage! Die kurze Antwort ist „Man behauptet, dass es geht“, die ausführliche Antwort folgt, ist aber leider etwas länglich, sorry.

Lage im Ost-Kongo

In der Rohstoff-reichen Gegend des Ostens der Demokratischen Republik Kongo gibt es seit Jahren keine Staatsgewalt mehr. Mehr als ein Dutzend Milizen leben davon, von Ort zu Ort, auch von Mine zu Mine zu ziehen um sich mit Waffengewalt ein Leben zu sichern. Die Regierungsarmee ist zwar vor Ort, aber genauso machtlos wie korrupt. Die Rebellenorganisation M23 hatte Ende letzten Jahres sogar die Provinzhauptstadt Goma eingenommen, über die ein Großteil des Handels mit Coltan (Tantalerz), Kassiterit (Zinnerz) und Gold der Gegend läuft. Inzwischen ist sie wieder befreit, die M23 hat aber alles mitgehen lassen, was nicht festgenagelt war.

Der Kongo ist also mitnichten konfliktfrei. In der Regel verdienen Miltärs aller Art an den Rohstoffen, indem sie einfach die Abbauorte, Transport- und Handelswege sperren und unter Gewalt und Drohungen willkürlich Schürfgebühren und Wegezoll verlangen. Schon im Jahr 2000 hat eine UN-Kommission aufgedeckt, dass auf diese Weise durch den Rohstoffhandel der Bürgerkrieg am Leben gehalten wird.

Begriff „konfliktfrei“

Rohstoffe werden „konfliktfrei“ genannt, wenn keine militärische Partei daran Geld verdient hat. Das ist in den meisten Ländern der Welt der Fall, soll aber auch im Kongo möglich sein, denn es gibt Minen, die nicht kontrolliert werden und kontrollierte Handelswege.

Konfliktfreies aus dem Kongo

Es gibt seit 2010 ein Gesetz in den U.S.A. (Dodd-Frank Sec. 1502/1504), das Hersteller verpflichtet zu berichten, wenn in ihren Produkten Rohstoffe aus dem Ost-Kongo und angrenzenden Gebieten enthalten sind. Konfliktmineralien sind nicht verboten, man muss nur berichten, wenn man sie einsetzt.

Das entspricht praktisch einem Embargo. Offensichtlich scheint es trotz aller Probleme lohnenswert zu sein, Rohstoffe aus dem Kongo zu beziehen (wegen der Preise?…das weiß ich leider nicht) so dass sich nach Verabschiedung des Gesetzes einige Firmen um konfliktfreie Wege gekümmert haben. Die maßgeblichen Projekte sind „Solutions for Hope“ für Tantal und „Conflict Free Tin Initiative“ für Zinn, beide unter http://solutions-network.org zu finden. (Leider habe ich bislang auch nicht verstanden, wie die Konfliktfreiheit eigentlich nachgewiesen wird.)

Konfliktfrei versus Fair

Das Leben der Bevölkerung wäre ohne Militärpräsenz ein Besseres, keine Frage, so gesehen ist die Bevorzugung konfliktfreier Rohstoffe ein Aspekt der Fairness. Konfliktfreiheit impliziert aber nicht all die anderen Aspekte wie Löhne, Arbeitsbedingungen, Ächtung von Kinderarbeit, etc.

Das wichtigste Förderland für Tantal beispielsweise ist Australien. Es ist anzunehmen, dass es dort nicht nur konfliktfrei zugeht, sondern auch insgesamt fairer. Wenn man konfliktfreie Mineralien aus dem Kongo bezieht, dann macht man das (außer vermutlich wegen der Kosten, s.o.) aus einem entwicklungspolitischen Ansatz heraus, weil man der Region nämlich helfen möchte.

FairPhone versus NagerIT

Das FairPhone-Projekt hat genau das zum Ziel und nutzt die Wege des Solution-Netzwerks, mit der Folge im Zweifel gar nicht das Fairste einzukaufen was zu haben ist. NagerIT, das Projekt mit der teilfairen Maus, würde hingegen in Australien einkaufen. Allerdings: In der Maus ist gar kein Tantal drin. Das Zinn kommt Europa und aus unbekannter Herkunft, siehe http://www.nager-it.de/static/pdf/lieferkette.pdf

Literatur

  • Finnwatch & Swedwatch: From Congo with no Blood, 2012 (http://makeitfair.org/en/the-facts/news/from-congo-with-no-blood)
  • Enough Project: Conflict Minerals (http://www.enoughproject.org/conflict-minerals)

FairPhone: Stand der Dinge

Beim FairPhone gibt es keine Neuigkeiten, aber viele erwartungsfreudige Berichte in vielen bekannten Medien. Es ist nicht einfach, den Überblick zu behalten, was aktueller Stand der Planung ist. Zusammen mit einem Vergleich mit anderen Angeboten versuche ich es in diesem Posting mal, wobei ich mich vor allem auf die Aspekte der „Fairness“ beziehe:

Eckdaten

  • Gerät: Ein SmartPhone, Android (rootable), zwei SIM-Karten einsetzbar
  • Kosten: 250-300 Euro
  • Termin: Herbst 2013, Prototyp im Sommer
  • Anzahl: 10000 Stück
  • Vertrieb: Vermutlich direkt, aber auch per KPN/e-plus, evtl. Vodafone und O2. Gespräche mit Telekom/T-Mobile.

Leitlinien

  1. Fokus auf die sozialen und entwicklungspolitische Kriterien bei der Rohstoffgewinnung und der Fertigung, gleichzeitig Augenmerk auf Reparier- und Recyclebarkeit
  2. Radikale Transparenz, d.h. Nachweis der Herkunft aller Teile
  3. Technik ist drittrangig, allerdings sollte sie die Nachfrage nicht behindern. Sie sollte möglichst offen/wandelbar/reparierbar/anpassbar sein.
  4. Erstmal einen Wandel anstoßen statt alles auf einmal lösen.

Fairness

  • Einsatz konfliktfreien Zinns aus dem Kongo, zertifiziert von „Conflict-Free Tin Initiative“. Wird benötigt für Leiterplatten und Lötungen. Hersteller der Lötpaste kommt aus China; Fairness unklar. In Leiterplatten vermutlich konventionelles Zinn.
  • Einsatz konfliktfreien Tantals aus dem Kongo, zertifiziert von „Solutions for Hope“. Wird benötigt für Kondensatoren. K.hersteller aus Tschechien; Fairness unklar.
  • Von FairPhone begutachtete Arbeitsbedingungen bei bislang noch nicht gefundenen chinesischem Design- und Herstellungsbetrieb. Verlangte Standards unklar.

Unkonkretes/Pläne

  • Aufbau von Lieferwegen von konfliktfreiem Kobalt, ebenfalls aus dem Kongo. Wird benötigt für Batterien.
  • Einsatz von Fairgold-zertifiziertem Gold. Käme dann aus Kolumbien. Wird eingesetzt u.a. in Chips.

Stichproben-Vergleich: Markenfirmen und Fairness

  • Bei „Solutions for Hope“ (Tantal) sind neben FairPhone u.a. Flextronics, Foxconn,  Intel, AVX, HP, Motorola, Nokia, RIM aktiv.
  • Bei „Conflict-Free Tin Initiative“ sind neben FairPhone u.a. RIM, Motorola und einige Rohstoffakteure und Lothersteller aktiv, d.h. Zulieferer.
  • Apple wie viele andere behaupten, schon konfliktfreies Tantal einzusetzen. Das könnte allerdings auch aus Australien kommen, was von FairPhone wegen des fehlenden Entwicklungszusammenhangs abgelehnt wird.
  • Den entwicklungspolitischen Ansatz hat auch zumindest HP. HP hat auch im Conflict-free-Ranking Platz 2, nach Intel.
  • Audits in den Fertigungsbetrieben machen nahezu alle Markenhersteller, mehr oder weniger öffentlich und kritisch. Es gehört zum guten Ton, Mitglied von EICC zu sein, was meines Wissens ein Audit-Prozedere verlangt.

Meine Bewertung

  • Einziges komplexes IT-Produkt mit Fairnessanspruch mittels eines Best-of-breed-Ansatzes.
  • Im Fokus derzeit nicht die Fairness, sondern die Konfliktfreiheit der Rohstoffe, d.h. keine Aussage zu Kinderarbeit, einstürzenden Stollen und Arbeitslohn.
  • Vermutlich werden sie bei der geringen Stückzahl eher wenig Einfluss auf Fairness beim Fertiger haben. (10000 Geräte könnte Foxconn in wenigen Stunden herstellen.)
  • Die ganze Strategie macht nur Sinn, wenn das Projekt sehr langfristig angelegt wird mit stetiger Annäherung an die Ansprüche.

Quellen

Neues zum FairPhone

Zum Projekt FairPhone gibt es wieder Neuigkeiten: Spiegel-Online veröffentlicht eine Zusammenfassung des Projekts basierend vermutlich auf einigen Interviews, u.a. mit dem Projektleiter Bas van Abel.Die für mich bislang neuen Erkenntnisse:

  1. Es soll mit Fairgold (Zertifizierung von Fair-Trade-Gold) zusammengearbeitet werden.
  2. Es soll Tantal (gewonnen aus Coltan) aus zertifizierten Minen eingesetzt werden.
  3. Die Kondensatoren sollen in einer tschechischen Fabrik gebaut werden.
  4. Es soll ein chinesischer Original Design Manufacturer (ODM) eingeschaltet werden, der nicht nur produzieren, sondern auch entwickeln/designen kann.

Bestätigt wird der Plan, zertifiziertes Zinn einzusetzen. Gar nicht mehr ist die Rede von dem alten Plan, Kobalt konfliktfrei zu beschaffen. Auch wird als Vertriebspartner zwar weiterhin Vodafone und KPN (sozusagen die niederländische Telekom), der Hersteller des Geräts ist unklar. Hier waren mal Geeksphone und Openmoko im Gespräch.

Details zu den Neuigkeiten:

  1. Das Gold müssten vermutlich die Komponentenhersteller, vermutlich die Leiterplatinenhersteller, evtl. auch die Fertiger einsetzen. Das ist viel Aufwand für ein kleines Projekt wie dieses
  2. Es gibt vielversprechende Ansätze, ähnlich wie beim Zinn auch konfliktfreies Tantal aus dem Kongo zu beziehen. Anders als im Artikel behauptet ist Kongo zwar ein großer Tantal-Lieferant, der größte ist aber Australien, wo zumindest Konfliktfreiheit zu erwarten ist. Ist halt teurer, aber worum nicht das einsetzen? Aber vielleicht meinen sie das sogar.
  3. Tantal steckt in Elektrolytkondensatoren. Diese tschechische Firma wird dann dieses Tantal wohl einsetzen. Zum Vergleich: Die teilfaire Maus lässt die Elkos in der BRD herstellen, das Tantal kommt aus ungeklärten Quellen.
  4. Ein allgemeiner Verweis auf einen ODM bleibt leider ohne Aussage. Würden lediglich bekannte Geräte mit „faireren“ Komponenten ausgestattet bräuchte man nach meinem Verständnis aber keinen ODM.

Etwas irritierend: Mit jedem neuen Interview, das irgendjemand mit den FairPhone-Projektleuten führt, werden ganz neue Pläne öffentlich. Auf ihrer Website oder Facebookauftritt werden die Sachen nie erwähnt. Vielleicht sind es doch eher Ideen als konkrete Kooperationen?

Es bleibt spannend!