Was heißt „Konfliktfreie Rohstoffe aus dem Kongo“ und wie fair ist das?

Nach meiner FairPhone-Zwischenstandsmeldung vor zwei Tagen kam von einem Kollegen die Frage, wie das denn gehen solle, Kongo und „konfliktfrei“. Berechtigte Frage! Die kurze Antwort ist „Man behauptet, dass es geht“, die ausführliche Antwort folgt, ist aber leider etwas länglich, sorry.

Lage im Ost-Kongo

In der Rohstoff-reichen Gegend des Ostens der Demokratischen Republik Kongo gibt es seit Jahren keine Staatsgewalt mehr. Mehr als ein Dutzend Milizen leben davon, von Ort zu Ort, auch von Mine zu Mine zu ziehen um sich mit Waffengewalt ein Leben zu sichern. Die Regierungsarmee ist zwar vor Ort, aber genauso machtlos wie korrupt. Die Rebellenorganisation M23 hatte Ende letzten Jahres sogar die Provinzhauptstadt Goma eingenommen, über die ein Großteil des Handels mit Coltan (Tantalerz), Kassiterit (Zinnerz) und Gold der Gegend läuft. Inzwischen ist sie wieder befreit, die M23 hat aber alles mitgehen lassen, was nicht festgenagelt war.

Der Kongo ist also mitnichten konfliktfrei. In der Regel verdienen Miltärs aller Art an den Rohstoffen, indem sie einfach die Abbauorte, Transport- und Handelswege sperren und unter Gewalt und Drohungen willkürlich Schürfgebühren und Wegezoll verlangen. Schon im Jahr 2000 hat eine UN-Kommission aufgedeckt, dass auf diese Weise durch den Rohstoffhandel der Bürgerkrieg am Leben gehalten wird.

Begriff „konfliktfrei“

Rohstoffe werden „konfliktfrei“ genannt, wenn keine militärische Partei daran Geld verdient hat. Das ist in den meisten Ländern der Welt der Fall, soll aber auch im Kongo möglich sein, denn es gibt Minen, die nicht kontrolliert werden und kontrollierte Handelswege.

Konfliktfreies aus dem Kongo

Es gibt seit 2010 ein Gesetz in den U.S.A. (Dodd-Frank Sec. 1502/1504), das Hersteller verpflichtet zu berichten, wenn in ihren Produkten Rohstoffe aus dem Ost-Kongo und angrenzenden Gebieten enthalten sind. Konfliktmineralien sind nicht verboten, man muss nur berichten, wenn man sie einsetzt.

Das entspricht praktisch einem Embargo. Offensichtlich scheint es trotz aller Probleme lohnenswert zu sein, Rohstoffe aus dem Kongo zu beziehen (wegen der Preise?…das weiß ich leider nicht) so dass sich nach Verabschiedung des Gesetzes einige Firmen um konfliktfreie Wege gekümmert haben. Die maßgeblichen Projekte sind „Solutions for Hope“ für Tantal und „Conflict Free Tin Initiative“ für Zinn, beide unter http://solutions-network.org zu finden. (Leider habe ich bislang auch nicht verstanden, wie die Konfliktfreiheit eigentlich nachgewiesen wird.)

Konfliktfrei versus Fair

Das Leben der Bevölkerung wäre ohne Militärpräsenz ein Besseres, keine Frage, so gesehen ist die Bevorzugung konfliktfreier Rohstoffe ein Aspekt der Fairness. Konfliktfreiheit impliziert aber nicht all die anderen Aspekte wie Löhne, Arbeitsbedingungen, Ächtung von Kinderarbeit, etc.

Das wichtigste Förderland für Tantal beispielsweise ist Australien. Es ist anzunehmen, dass es dort nicht nur konfliktfrei zugeht, sondern auch insgesamt fairer. Wenn man konfliktfreie Mineralien aus dem Kongo bezieht, dann macht man das (außer vermutlich wegen der Kosten, s.o.) aus einem entwicklungspolitischen Ansatz heraus, weil man der Region nämlich helfen möchte.

FairPhone versus NagerIT

Das FairPhone-Projekt hat genau das zum Ziel und nutzt die Wege des Solution-Netzwerks, mit der Folge im Zweifel gar nicht das Fairste einzukaufen was zu haben ist. NagerIT, das Projekt mit der teilfairen Maus, würde hingegen in Australien einkaufen. Allerdings: In der Maus ist gar kein Tantal drin. Das Zinn kommt Europa und aus unbekannter Herkunft, siehe http://www.nager-it.de/static/pdf/lieferkette.pdf

Literatur

  • Finnwatch & Swedwatch: From Congo with no Blood, 2012 (http://makeitfair.org/en/the-facts/news/from-congo-with-no-blood)
  • Enough Project: Conflict Minerals (http://www.enoughproject.org/conflict-minerals)

Interaktive Karte der Apple Suppliers

Bislang hatte Apple lediglich die Namen der Firmen veröffentlicht, die zu ihren Produkten beitragen, in diesem Jahr ist Apple konkreter geworden und zählt einzelne Fertigungsbetriebe und ihren Standort auf. Zur Beurteilung der Fairness ist dies ein wichtiger Schritt.Die weltweite Verbreitung wird durch eine neue interaktive Karte gut sichtbar, die auf Basis der neuen Liste erstellt wurde. Wir reden also nicht nur von China, sondern z.B. auch in Deutschland liegen Vertragspartner.

Apples Zulieferbericht 2013

Apple hat – wie jedes Jahr um diese Zeit – einen Nachhaltigkeitsbericht über seine Zulieferer veröffentlicht, seit den Foxconn-Selbstmorden mit deutlichem Fokus auf die Arbeitsbedingungen.Apple berichtet darin mit viel Selbstlob von ihren eigenen Audits (Untersuchungen vor Ort) und den Ermittlungsergebnissen in 2012. Sie umfassten Fertigungsbetriebe, aber auch Komponentenhersteller, knapp 400 Besuche insgesamt. Laut Apple wurden Arbeiter auch außerhalb der Arbeitsstätte interviewt; die meisten Firmenbesuche dürften aber angekündigt gewesen sein.

Arbeitszeiten

Apple schafft es zunehmend, die Arbeitszeiten auf unter 60 Stunden pro Woche zu drücken, siehe den veröffentlichten Kurvenverlauf. Auffallend ist jedoch, dass gerade zum Zeitpunkt der iPhone 5 Verkäufe die Kurve nach unten ging, siehe auch die Analyse an anderer Stelle. Apple selbst gibt sich als Beobachter, hat aber vermutlich selbst mehr Einfluss als offen eingestanden.60-Stunden-Wochen sind in China gesetzlich möglich, dürfen aber nicht die Regel sein, weil in die Rechnung Überstunden einfließen. Regelarbeitszeit ist 40-Stunden. Es wird oft argumentiert, dass die Arbeitnehmer ja selbst gerne Überstunden machen möchten. Das stimmt, denn sie benötigen das Geld um um die Runden zu kommen. Ursache ist also das geringe Gehalt, eine Legitimation für die Überstunden daraus abzuleiten ist eine Frechheit.Über den Stundenlohn steht in Apples Bericht kein Wort, lediglich über Überstunden- und Nachtzuschläge, die kontrolliert und wohl hier und da korrigiert wurden.

Leiharbeit

Von Leiharbeitern wird oft eine Vermittlungsgebühr von mehreren Monatslöhnen verlangt. Da es sich oft um Wanderarbeiter handelt, schaffen sie es erst nach vielen Monaten, genug Geld zusammen zu haben um mal nach Hause fahren zu können. Apple sorgte dafür, dass viele dieser illegalen Gebühren zurückgezahlt wurden. Das ist einzigartig und sehr lobenswert.

Beschäftigung Minderjähriger

Es gab einen Fall von Beschäftigung Minderjähriger (d.i. unter 15 Jahre) größeren Umfangs. Apple hat die Vertragsbeziehung gekündigt. Leider hat die wenigen Agenturmeldungen vor allem diese Neuigkeit geprägt.In mehreren Firmen war die Arbeit dem Alter nicht angemessen. Die Beschäftigung von Schulpraktikanten soll 2013 genauer beobachtet werden.

Arbeitsschutz

Apple hat hier Detailverbesserungen erreicht, Schutzkleidung, Fluchtwege, Umgang mit gefährlichen Substanzen.

Konfliktmineralien

Einsatz konfliktfreier Mineralien bedeutet, dass keine bewaffneten Konflikte durch den Kauf von Rohstoffen finanziert werden. In aller Regel bezieht sich die Forderung auf die D.R.Kongo und Nachbarländer und auf die Stoffe Gold, Zinn, Tantal und Wolfram. Ein U.S.-amerikanisches Gesetz verlangt eine Veröffentlichung von Geschäften dieser Art.Apple behauptet, dass alle 211 Tantallieferanten die Konfliktfreiheit nachweisen können. Apple kündigt an, dass in Zukunft („we will“) dies für alle vier Stoffe verlangt wird, sobald eine Zertifizierung vorliegt. Beim Zinn ist dies schon der Fall, bei Gold auch, bei Wolfram weiß ich es nicht.Diese Ankündigung ist interessant. Hoffentlich kommen noch mehr Informationen dazu.

Transparenz

Wie immer veröffentlichte Apple keine Namen. Dennoch ist Apple transparenter als die meisten der Mitbewerber. Insgesamt habe ich das Gefühl, dass die weltweiten, schlechten Berichte über Apple-Zulieferer etwas bewegt haben. Apple ist langsam unterwegs, aber auf einem guten Weg.Die ganze IT-Szene ist aber auf eher niedrigem Niveau, das darf man nicht vergessen. Vor einigen Jahren war der Sportartikelhersteller Nike ähnlicher Kritik ausgesetzt wie Apple. Auch Nike hat reagiert. Allein die Veröffentlichung der Zulieferbetriebe ist um einiges ausführlicher und hilfreicher als die von Apple.

Die Akte Samsung

Der folgende Artikel ist Herbst 2012 in der FIfF-Kommunikation 3/12 erschienen.

Unfaire Arbeitsbedingungen auch beim Allesanbieter

Die öffentliche Kritik an unfairen Arbeitsbedingungen bei der Produktion von Computern hat sich in den vergangenen Monaten auf den Fertiger Foxconn und dessen Auftraggeber Apple konzentriert. Foxconn ist zwar der größte Kontraktfertiger, aber nicht der einzige, und Apple zwar dessen größter, aber nicht der einzige Kunde. Wollen wir also das Augenmerk auch auf andere lenken, und wer liegt da näher als Samsung: bei Handys, Smart-Phones, Speicherchips und LCD-TVs auf Rekordkurs.

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Bad Apple

Der folgende Artikel ist Mitte 2011 in der FIfF-Kommunikation 2/11 erschienen.

Apple reagiert auf Berichte über unfaire Arbeitsbedingungen

„Das dunkle Imperium hinter iPhone, iPad und Co.“, „Der Fluch des iPhones“ oder „Soziale Verantwortung ist für Apple offenbar kein Thema“ hießen die Artikel im Spiegel, der Zeit oder diversen Blogs. Nicht nur im Datenschutz, sondern auch bei den Herstellungsbedingungen macht Apple derzeit keine gute Werbung. Dabei geht es in diesem Fall nicht um die Firma direkt, sondern um ihre Zulieferer. Dieser Beitrag fasst zusammen, was in den letzten Monaten passiert ist, betrachtet Apples halbherzige Reaktion und gibt Tipps, was Verbraucher tun können, falls ihnen fair hergestellte und gehandelte Elektronik wichtig sind.

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