Betrifft: Faire Computer 4/2013

Logo_simpel„Betrifft: Faire Computer“ ist eine Kolumne, die alle Vierteljahr in der FIfF-Kommunikation erscheint. Sie fasst die Ereignisse der letzten 3 Monate kurz und knapp zusammen. Diese erschien in der Ausgabe 4/2013 und deckt die Monate August bis Oktober 2013 ab. Der Text ist auch als PDF erhältlich. Wen Quellennachweise interessieren, der schreibe eine Mail an fairit @ fiff .de

Fairness entlang der Liefer- und Wertschöpfungskette, das ist unser Wunsch. Diese regelmäßig erscheinende Kolumne mit aktuellen Entwicklungen zählt auf, wo es noch nicht so weit ist. Auch in diesem Quartal ist auf allen Ebenen etwas passiert.

Rohstoffgewinnung

Die Diskussion um Konfliktmineralien – bekannt ist hier vor allem die D.R. Kongo mit dem Metall Tantal – hat Fahrt aufgenommen, nachdem die EU die Absicht erklärt hat, eine Regulierung von Rohstoffgeschäften in Krisen- und Konfliktgebieten einzuführen. Die USA sind vorgeprescht mit dem Dodd-Frank-1502-Gesetz und der damit verbundenen Verpflichtung, Metallerzhandel im Kongo zu veröffentlichen. Das hat allerdings eben diesen Handel beinahe zum Erliegen gebracht, zum Nachteil der Bevölkerung. Die EU will sich nicht auf den Kongo beschränken, weil bewaffnete Milizen zum Beispiel auch in Peru (Gold) oder Kolumbien (Wolfram) vom Rohstoffhandel leben. Während NGOs gesetzliche Verpflichtungen und Sanktionsmechanismen verlangen, pochen die Unternehmen auf Freiwilligkeit und möglichst wenig Bürokratie. Freiwillig lässt sich praktisch kein EU-Unternehmen in die Karten schauen, was die Herkunft seiner Materialien angeht, das enthüllte ein NGO-Bericht.

Die Erze werden in den Krisenländern immer noch vor allem durch Tausende Schürfer in mühsamer, gefährlicher Handarbeit gefördert. Sind die Vertriebswege aber erst einmal sicher und erschlossen, so fürchten manche, kommen die großen Rohstoffkonzerne, hofiert von der Regierung, und beuten die Bergregionen aus. Amnesty International hat jüngst einen Bericht veröffentlicht, wie vor allem chinesische Unternehmen mit Unterstützung der Polizei die lokale Bevölkerung aus den friedlicheren Gebieten des Kongo vertrieben und in die Erwerbslosigkeit gezwungen haben. Das Material, meist Kupfer oder Kobalt, heißt dennoch offiziell konfliktfrei.

Gerätefertigung

Nach vielen Jahren Foxconn sind nun auch andere Fertiger wie Pegatron oder Flextronics regelmäßig in den Schlagzeilen. Die Branche boomt, und die Arbeitskräfte werden knapp. So rekrutierte Flextronics Malaysia Arbeiter aus fernen Ländern für die Kamerafertigung des iPhone 5. Als die Aufträge plötzlich fehlten, wurden die Arbeiter sich selbst überlassen, mit all den Schulden, die der Umzug und die Vermittlungsgebühren mit sich brachten. All dies war auch schon vor drei Jahren berichtet worden.

Die Praxis, Schüler und Studierende mittels Zwangspraktika zu billigen Arbeitskräften zu machen, wurde in den letzten Monaten mehrmals recherchiert, zum Beispiel bei der Fertigung der Playstation 4 von Sony.

Bei vier chinesischen Zulieferern von Dell und anderen haben sich nach einem aktuellen Bericht keine erkennbaren Verbesserungen eingestellt: 70-Stunden-Wochen, ungeschützte Arbeit mit Chemikalien, stupide Arbeit im Stehen, Beleidigung durch Vorgesetzte: all das widerspricht den offiziellen Grundsätzen von Dell. Wieder wurden Untersuchungen angesetzt, wieder erst nachdem investigative Recherche etwas ans Licht brachte.

Auch Apple hält seine Versprechungen zur Verbesserung der Situation nicht ein, wie jüngste Analysen ergaben. Zu Zeiten des bevorstehenden Markteintritts von iPhone 5S und 5C sind die Arbeitsstunden in den Fertigungsbetrieben wieder deutlich über die angestrebten 60 Stunden pro Woche gestiegen. Der Druck entsteht offensichtlich im Wesentlichen durch die Planung der Markenhersteller. Das Argument, die Arbeiter wollten gerne Überstunden machen, gilt nicht: Sie verdienen schlicht zu wenig, um ohne Mehrarbeit über die Runden zu kommen.

Gegen Samsung laufen weiter einige Klagen: in Brasilien wegen der Arbeitsbedingungen, in Frankreich wegen Kinderarbeitsvorwürfen und in Südkorea wegen Leukämiefällen in der Halbleiter-Fertigung. Jüngst wurde einem Opfer Entschädigungszahlungen zuerkannt, weil sich entgegen der Samsung-eigenen Untersuchungen ein Zusammenhang mit dem Arbeitsplatz nachweisen ließ.

Konsum

Fortschritte gibt es bei den beiden Projekten, bei denen Konsumenten sagen können: Ja, so will ich es. NagerIT, Hersteller der teilfairen Computermaus, nimmt die Arbeitsbedingungen in China in Augenschein, musste aber viel Kritik zu Design und Preis des Produkts einstecken.

FairPhone, das Smartphone mit teilweise konfliktfreiem Tantal und Zinn, hat nun über 20 000 zahlende Käufer gewinnen können. Das Gerät wurde inzwischen offiziell vorgestellt, wird aber frühestens zu Weihnachten verfügbar sein. Es wurde eine Kostenaufschlüsselung veröffentlicht, aus der hervorgeht, dass 22 Euro pro Gerät für Nachhaltigkeitszwecke vorgesehen sind. Zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses liefen die Audits beim chinesischen Fertiger noch; der Bericht über die Arbeitsbedingungen stand also noch aus.

Die überraschendste Neuigkeit kommt aber vom gar nicht so selbstlosen Bitkom, dem deutschen Branchenverband von IT-Unternehmen, der zusammen mit dem Beschaffungsamt des Inneren eine Mustererklärung von Firmen für den Einkauf von IT durch die öffentliche Hand entworfen hat, und zwar mit explizitem Hinweis darauf, dass die Kernarbeitsnormen der internationalen Arbeitsorganisation ILO einzuhalten seien. Bislang wurden solche Kriterien als vergabefremd abgehakt.

Entsorgung

Die WEEE-Richtlinie der EU zur Behandlung von Elektroaltgeräten wurde neu geregelt. Sie verlagert nun die Nachweispflicht, ob etwas noch als reparierbar gilt und damit die EU verlassen darf, zum Exporteur. Bislang wurde unter dem Vorwand angeblicher Weiterverwendbarkeit Schrott illegal zum Beispiel nach Afrika verschifft, wo er unter meist haarsträubenden Umständen ausgeschlachtet wird. Beim Thema Entsorgung ist die EU Vorreiter, während die USA die relevante Basel-Konvention gar nicht erst unterzeichnet haben. Eine Reihe von NGOs verlangte jüngst von der EU, weiter voranzuschreiten und zu den als giftig geltenden Stoffen auch bromierte Flammschutzmittel hinzuzufügen, die in vielen Konsumprodukten bei der Herstellung und Entsorgung zwar große Probleme bereiten, für die bislang von den Herstellern aber keine geeignete Entsorgungsleistung verlangt wird.

Die Entwicklung bei den fairen Computern erscheint mir wellenartig: Vieles kommt mehrmals, wird diskutiert, angeklagt, beschwichtigt, vergessen und erscheint irgendwann wieder. Die sich wiederholenden Recherchen über die Arbeitsbedingungen in China sind so oder die Berichte über den Erzabbau in Entwicklungsländern. Manchmal aber wird dadurch etwas Wertvolles angeschwemmt und bleibt liegen, immer dann nämlich wenn ein Gesetz entsteht oder eine Firma sich den Empörungen der Öffentlichkeit beugt und einen Standard erreicht, hinter den sie nicht mehr zurück kann.