Die Kolumne “Betrifft: Faire Computer” erscheint vier Mal im Jahr in der FIfF-Kommunikation. Meistens geht es kurz und knapp um die Neuigkeiten (die meist auch schon getwittert wurden unter @FaireComputer) in Sachen Faire IT / Elektronik der letzten paar Wochen. Dieses Mal wird eher ein Sommerloch gefüllt, veröffentlicht in der FIfF-Kommunikation 3/2022. Frühere Ausgaben findet ihr hier im Blog.
Damit wir in unserer Sache vorankommen, müssen die großen Hersteller fairer und die fairen Hersteller größer werden.
Aufgrund einer aktuellen Nachrichtenflaute betrachten wir mal grundsätzlicher: Geschieht dies? Als Beispiel sollen Apple und Fairphone dienen: Wird Apple fairer? Wird Fairphone größer?
Dieser Tage veröffentlichte Fairphone ihren Geschäftsbericht 2021. Die Anzahl der verkauften Geräte stagniert seit 2019 um die 90.000 pro Jahr, in 2021 war es wegen Lieferkettenproblemen sogar etwas weniger, unter anderem steckten viele Fairphones in jenem Schiff fest, das im Suez Kanal havarierte. In Deutschland liegt der mit Abstand größte Absatzmarkt von Fairphone. Rechnet man den gegen die gut 20 Millionen Smartphones, die in Deutschland 2021 verkauft wurden (Tendenz inzwischen leicht sinkend) kommt ein Marktanteil von 0,19 % zusammen.
Der Gewinn jedoch steigt trotz erhöhter Zahl an Mitarbeitenden, vor allem wegen des höheren Preises des neuesten Modells Fairphone 4 und neuer (mäßig fairer) Zubehörteile. Fairphone ist profitabel, das war nicht immer so. Nachdem es vor wenigen Jahren einen Finanzier- und Führungswechsel gab – einhergehend mit einem großen Personalwechsel; viele der Pionier:innen sind nicht mehr dabei – war dies eine Voraussetzung für weiteres Investment. Die gesetzten Umsatzziele wurden jedoch nicht erreicht.
Wird Fairphone also größer? Ein klein wenig.
Traditionell ist Apple knapp vorne dabei mit seinem Engagement für bessere Arbeitsbedingungen und der Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen, bedenkt man jedoch eine sagenhaften Gewinne, galt schon immer: Apple tut absolut viel und relativ wenig. Beim Lesen des im Frühjahr erschienenen Nachhaltigkeitsberichts macht sich sogleich Gähnen breit: Habe ich das Gleiche nicht schon vor fünf Jahren gelesen? Seit Apple aus den Negativschlagzeilen – Konfliktminerale, Beschäftigung Minderjähriger, Schuldknechtschaft – raus ist, scheint kein Fairnessprogramm hinzugekommen zu sein.
Apple setzt klassisch auf die Einhaltung von Verträgen mit den Zulieferern, kontrolliert diese, setzt wenn nötig gemeinsam Trainings- und Verbesserungsprogramme auf, kontrolliert auch deren Erfolg, entfernt gelegentlich sogar nicht-konforme Akteure aus ihrer Zulieferkette und veröffentlicht schließlich die Summen der Kontrollen, Programme und Zielerreichungen. Die steigen stetig, das ist gut. So wurden z. B. seit 2008 23,6 Mio. Arbeitnehmer in ihren Rechten geschult und die Anzahl der beobachteten schwerwiegenden Rechtsverletzungen sank von 45 in 2017 auf nun 11.
Neue Themen sind aber nicht hinzugekommen, wenn man mal von den aktuell viel diskutierten Batterierohstoffen absieht. Wie alle anderen großen Hersteller fehlen klassische Fairnessaspekte: Löhne müssen lediglich die gesetzlichen Bedingungen erfüllen, nicht aber die tatsächlichen Lebenshaltungskosten. Arbeitnehmervertretungen müssen immerhin nach gesetzlichem Maß ermöglicht werden, werden aber nicht gefördert. Die Arbeitenden werden in ihren gesetzlichen Rechten geschult, darüber hinaus geht die Unterstützung aber nicht. Gezielte Verbesserungsprogramme vor Ort, wie sie etwa Fairphone mit dem Fairtrade Gold in den Platinen oder der Partizipation der Arbeitenden in dem Fertigungsbetrieb unternimmt, gibt es bei Apple nicht.
Wird Apple also fairer? Ein bisschen vielleicht.
Fairphones Chefin schreibt in ihrem Bericht:
Although I sense new momentum for changing our relationship with nature, I don’t see the same urgency to treat workers fairly … Our call to ensure living wages, workers’ voice and better working conditions sometimes feel like they fall on deaf ears.
Umwelt und Ressourcenverbrauch sind aktuell die großen Themen. Fairphone selbst ist inzwischen eher bekannt für die Reparierbarkeit seiner Geräte. Auch Apple engagiert sich in diesem Bereich und hat sogar ein Selbstreparaturprogramm aufgesetzt. Beide werben zudem mit Recyclingmaterial in ihren Geräten, Apple möchte sogar gerne ganz los kommen von frisch abgebauten Rohstoffen. So kreislaufwirtschaftlich wichtig diese Entwicklungen sind, so sehr muss man trotz der zunehmenden gesetzlichen Sorgfaltspflicht, auch in Anbetracht aktueller politischer Entwicklungen befürchten: Fairness wird nicht größer.