„Betrifft: Faire Computer“ ist eine Kolumne, die alle Vierteljahre in der FIfF-Kommunikation erscheint. Sie fasst die Ereignisse der letzten 3 Monate kurz und knapp zusammen. Diese erschien in der Ausgabe 3/2013 und deckt die Monate Mai bis Juli 2013 ab. Wen die Quellennachweise interessieren, schreibe eine Mail an fairitÄTfiff.de
Wie mühselig die Arbeit für eine sozialverträglichere IT-Herstellung ist zeigen am besten die beiden Vorzeigeprojekte. Das holländische FairPhone hat bis Redaktionsschluss knapp 13.000 Geräte verkauft. Das genügt zwar locker für eine Vorfinanzierung der Produktion der nun geplanten 20.000 Geräte, aber erst wenn man bedenkt dass eine der Foxconn-Fabriken diese Menge in wenigen Stunden produzieren kann, werden einem die Relationen bewusst. Bis zur Lieferung der ersten Geräte wird in Amsterdam an größerer Transparenz gearbeitet. NagerIT, der bayrische Hersteller der teilfairen gleichnamigen Computermaus, ist dort Vorreiter und hat die Zuliefer- und Herkunftskette so detailliert wie eben möglich veröffentlicht. Ziel in den nächsten Wochen ist es, ein durch und durch faires USB-Kabel herzustellen. Das Schöne: Es könnte eine Kooperation zwischen den beiden Projekten geben, denn für das FairPhone wird auf Wunsch ebenfalls ein USB-Kabel geliefert.
Was passiert bei den Großen? Googles Motorola überrascht mit der Nachricht, dass ihr neues Handy in Texas zusammengeschraubt wird, was in den U.S.A. ein echtes Pro-Argument ist. Apple überrascht mit der Zusage, der Herkunft des Zinns in ihren Geräten nachgehen zu wollen, freilich erst nach monatelangem öffentlichen Druck von Friends of the Earth (England), die umwelt- und menschenfeindliche Zustände in Indonesiens Minen aufdeckte. Weniger überraschend ist, dass Foxconn sein Versprechen, einen Betriebsrat einzurichten, schlicht nicht umgesetzt hat. Zu viel versprochen hat vermutlich auch Apple: Sie wollten bis 1. Juli durchgehend maximal 60 Arbeitsstunden in der Woche zulassen – dabei ist auch das nach chinesischem Gesetz illegal –, behaupteten sogar, dass dies zu 98% schon umgesetzt sei. Komisch allerdings, dass unabhängige Interviews mit Arbeitern dem widersprechen. Man wundert sich nicht selten über die häufige Diskrepanz zwischen vom Markenhersteller in Auftrag gegebenen Audits und den Erkenntnissen von Arbeitsaktivisten.
Klärung bietet der Bericht von China Labor Watch mit Sitz in New York über den Kontrakthersteller Pegatron. Undercover gingen sie in die chinesischen Fabriken, arbeiteten mit und interviewten Kollegen. Ergebnis: Auch hier Überstunden in unerlaubtem Maß, unbezahlte Zwangs“besprechungen“, Akkordarbeit, stundenlanges Stehen beim Arbeiten, Verweigern von versprochenen Pausen, Verzögern von Gehaltszahlungen, ausbildungsfremde Beschäftigung von Schülern und Praktikanten. Aber auch: Die Arbeiter werden von den Vorgesetzten gezwungen, ihre Stundenzettel zu fälschen: „The document’s only purpose is to deceive Apple during inspections„. Pegatron fertigt außerdem vermutlich für Nokia, Panasonic, HP, Dell, Lenovo, Acer, Sony, Toshiba und natürlich Asus, dem Unternehmen aus dem Pegatron vor wenigen Jahren hervorgegangen ist.
Samsung schafft es bei alledem auf magische Weise, kaum Aufmerksamkeit zu erregen. Ohne Widerhall in den Medien blieb z.B. dass die Organisation SHARPS, die seit Jahren auffällige Leukämie-Fälle in Samsung-Werken aufdeckt, ebenfalls in die Zuliefererbetriebe gegangen ist und Unanständiges zu berichten hatte. Derweil machte Samsung wahr was viele als Trend erwarten: Es expandiert nicht mehr im zunehmend teureren China, sondern geht nach Vietnam. Geschickt auch, was sie für ihr Image geschafft haben: Der bekannte Zertifizierer TCO Development (ich habe in der letzten Ausgabe davon berichtet) hat als erstes ge-label-tes Smartphone ein Samsung-Gerät in ihren Listen. Das Zertifikat umfasst auch Sozialkriterien, die nicht sehr streng sind, aber immerhin über die üblichen Selbstverpflichtungen der Industrie hinausgehen.
TCO hat aus den Reihen der Nichtregierungsorganisationen dafür sogleich Prügel bekommen: Wie könne man trotz oben genannter Probleme und der Anti-Gewerkschafts-Politik bei Samsung diesem alles Gute bescheinigen? TCO will nun untersuchen, ob bei der Herstellung des zertifizierten Produkts tatsächlich die Vorwürfe zutreffen. Dazu muss Samsung ihnen Dokumente aushändigen und in die Fabriken lassen, sonst verliert es das Label. Und das ist die gute Nachricht: Samsung wird nun hochoffiziell kontrolliert.
Mühsam ist wie gesagt die Arbeit für eine sozialverträglichere IT-Herstellung. Sollte man nicht besser gleich alles in gesetzliche Regelungen gießen? Ja, sollte man. So gibt es derzeit drei relevante Richtlinienvorhaben der EU über die hier berichtet werden könnte. Wir verweisen an dieser Stelle aber lieber auf die nächste FIfF-Kommunikation im Dezember, die dieses und andere Themen zu „Faire Computer“ behandelt, denn es wird das Schwerpunktthema sein.