Betrifft: Faire Computer 2/2022

Logo_simpel@FaireComputer feiert 10 Jahre Neuigkeiten bei Twitter

Die Kolumne “Betrifft: Faire Computer” erscheint vier Mal im Jahr in der FIfF-Kommunikation. Es geht kurz und knapp um die Neuigkeiten (die meist auch schon getwittert wurden unter @FaireComputer) in Sachen Faire IT / Elektronik der letzten paar Wochen. Diese Ausgabe berichtet von Mitte Februar 2022 bis Ende April 2022 und ist in der FIfF-Kommunikation 2/2022 erschienen. Frühere Ausgaben findet ihr hier im Blog.

„Wir ziehen mit unserem täglichen Leben eine Spur der Verwüstung durch die Erde, was immer wir tun hat Konsequenzen“, sagte Wirtschaftsminister Habeck in einer der vielen Talkrunden. Und als Beispiel fiel ihm in dieser spontanen Verteidigung seiner neuen Arbeit als Lieferkettenirgendwieinordnungbringer das Naheliegende ein: „Beim Abbau von Produkten für Handys, Computer usw. sind wir in einer Verantwortung … und wir kümmern uns da niemals drüber. Aber punktuell entdecken wir dann immer unser moralisches Gewissen“, und weiter: „Was wir brauchen ist eine strukturelle Arbeit an der Veränderung, der Verbesserung.“

Das sind neue Töne aus diesem Ministerium. Sein Vorgänger hatte noch zusammen mit Industrievertretern erfolgreich gegen weitgehende Entwürfe des Arbeitsministeriums für ein deutsches Lieferkettengesetz gearbeitet. Lieferkettengesetze versuchen zu reparieren, was andere (fehlende) Gesetze an globalisierter Verantwortungslosigkeit ermöglichen. Das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz ist durch – wir berichteten in der letzten Ausgabe dieser Kolumne –, mal schauen, wie sich die neue Regierung nun bei der anstehenden EU-weiten Sorgfaltspflichtenregulierung verhält. Die EU-Kommission hat nämlich inzwischen einen Entwurf vorgelegt und zwar – in Deutschland noch verhindert – mit einer zivilrechtlichen Haftung. Das heißt: Wer sich als Unternehmen nicht bemüht kann verklagt und verurteilt werden. Allerdings haben Kläger die Beweislast, also die Betroffenen. Schwach ist der Adressatenkreis von nur etwa 1 % aller Unternehmen, zudem ohne besondere Beachtung von Risikobranchen. Es soll auch nur für „etablierte Lieferbeziehungen“ gelten. Was auch immer das genau heißt, in unserer schnelllebigen IT-Branche ist das jedenfalls nicht unbedingt typisch. Damit zementiert der Entwurf die Machtungleichheit zum globalen Süden eher: Die Auswirkungen einer sich kurzfristig ändernden Einkaufspolitik der IT-Hersteller werden nicht angefasst. „Strukturelle Veränderung“ sieht anders aus.

Beim EU-Lieferkettengesetz ist nun wieder das EU-Parlament dran und danach die Mitgliedstaaten. Schon im danach folgenden Trilog befindet sich die EU-Batterieverordnung. Es geht um besseren Umweltschutz und Einhaltung von Menschenrechten beim Bezug der Rohstoffe für Batterien, die in der EU hergestellt werden. Idealerweise sollen sie aus dem Recycling kommen. Die enormen Steigerungen erlauben das aber gar nicht, so dass es frisches Kobalt aus dem Kongo oder Lithium aus Südamerika (wir berichteten) betrifft, aber auch Nickel, von dem übrigens noch viel aus Russland kommt. Good Electronics – das FIfF ist dort Mitglied – verlangt zusammen mit anderen NGOs, dass auch die Batterierohstoffe Bauxit (Aluminium), Eisen und Kupfer darin reguliert werden.

Für letzteres gibt es sogar in Deutschland eine Hütte mit Weltbedeutung, nämlich bei Aurubis in u.a. Hamburg. Sie öffneten sich in der jüngsten Zeit ihrer Lieferkettenverantwortung ein wenig, z. B. mit der Entscheidung im vergangenen Jahr, kein Kupfererz aus indigenen Gebieten Norwegens zu beziehen. Das meiste Erz beziehen sie aktuell aus Peru. Von dort erreichen uns Nachrichten über gewaltsame Proteste der Anwohner, die sich auf ihr Recht zur Beteiligung an den Rohstoffvorkommen in ihren Regionen beziehen und eine Ausweitung der Förderung ablehnen. Ob dies eine Quelle für Aurubis ist, ist allerdings nicht bekannt, so weit geht die Transparenz nicht. Von Protesten dieser Art hört man hingegen häufiger, vor allem aus der Andenregion.

Was gibt’s Neues bei den Pionierprojekten?

  • Fairphone hat ein neues Produkt, die Earbuds, also kabellose Kopfhörer. Das Faire an ihnen: Fair-Trade-Gold per Massenausgleich, wie auch schon in ihren Smartphones. Allerdings haben die Geräte keine austauschbaren Batterien und sind nicht reparierbar, das soll noch besser werden.
  • Neu ist Syllucid mit einem USB-Kabel inkl. Steckersystem mit ebenfalls Fair-Trade-Gold (die Gründer waren früher bei Fairphone) und immerhin Recycling-Kupfer. Das Crowdfunding war im vergangenen Jahr erfolgreich, in Kürze wird geliefert. USB-Kabel sind beliebt: Auch Recable und GSN sind Kabelanbieter mit einem Fokus auf Fairness und Nachhaltigkeit.
  • Shiftphone („die deutsche Alternative“) macht eher in Kreislaufwirtschaft denn in Fairness. Zusammen mit einem Institut der Uni Kassel soll „ein umfassendes Entwicklungskonzept für ein vollständig kreislaufwirtschaftsfähiges Smartphone erarbeitet und prototypisch umgesetzt“ werden. Zudem stammen nun das Stromkabel eines ihrer Ladegeräte aus dem Elektroschrott und bekommen auf diese Weise ein zweites Leben. Ähnliches gab es bislang noch nicht.
  • Die Nager-IT-Maus wird nun optional mit kürzerem Kabel geliefert, das spart Rohstoffe. Wegen Lieferproblemen müssen fairere SMD-Widerstände inzwischen leider durch konventionelle aus Fernost ersetzt werden, es geht aber nur um wenige Milligramm. Und Nager-IT stellt ein und sucht Mitarbeitende für die öffentliche IT-Beschaffung. In Niedersachsen und Baden-Württemberg waren sie ja schon erfolgreich und haben ihre bislang mit Abstand größten Aufträge dort aus öffentlicher Hand bekommen.

So wirken nicht nur die Mitglieder der EU, sondern auch die Kommunen in unserer Sache.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert