Fair wie in Faires Silber
Die Kolumne “Betrifft: Faire Computer” erscheint vier Mal im Jahr in der FIfF-Kommunikation. Es geht kurz und knapp um die Neuigkeiten (die meist auch schon getwittert wurden unter @FaireComputer) in Sachen Faire IT / Elektronik der letzten paar Wochen. Diese Ausgabe berichtet von März bis Mitte Mai 2015 und ist in der FIfF-Kommunikation 2/2015 erschienen. Frühere Ausgaben findet ihr hier im Blog.
Ach, die EU. Hauptsache der Euro rollt. Die USA hatten ein Gesetz zur Regulierung von Geschäften mit Konfliktmineralien geschaffen, das nicht perfekt war, aber innovativ und anspruchsvoll. Die EU wollte nachziehen, was die Kommission aber vorlegte war schwach: Während in den USA alle börsennotierten Endproduktanbieter – also all die Apples, HPs, Ciscos und Intels die wir kennen – Berichtspflichten auferlegt bekommen haben sollten in der EU nur die paar Rohstoffimporteure berichten die niemand kennt, und noch schlimmer: nur wenn sie wollen, denn verpflichtend sollte es auch nicht sein. Die Hoffnung der Zivilgesellschaft – auch das FIfF war Teil dieser NGO-Koalition – ruhte daher auf dem EU-Parlament. Das Komitee für Entwicklungspolitik des Parlaments stimmte für eine verbindliche Berichtspflicht. Federführend war aber leider das Parlamentskomitee für Internationalen Handel, und das hat den Kommissionsentwurf ohne viele Änderungen durchgewunken und Mitte Mai dem gesamten Parlament zur Abstimmung vorgelegt.
Im EU-Parlament war die Stimmung dann jedoch eine ganz andere. In einer kaum für möglich gehaltenen Wende wurde nun ein Gesetzentwurf geschmiedet, der sogar über das hinaus geht, was in den USA verlangt wird: Importeure müssen sich von der EU zertifizieren lassen, und alle Hersteller, die diese Rohstoffe in ihren Produkten haben – in der EU immerhin gut 800.000 meist mittelständische Unternehmen – müssen ihre Sorgfaltspflicht nachweisen, und das nicht nur für Zentralafrika, sondern für alle (noch zu definierenden) Konfliktgebiete. Vielleicht hat ja das Lobbying der vielen NGOs doch gefruchtet? Als nächstes muss das Gesetz allerdings durch den Europäischen Rat, wo es bestimmt wieder abgeschwächt wird.
In den USA steht unterdessen bald schon die zweite Runde der Pflichtberichte an, diesmal für die Geschehnisse im Jahr 2014. Überrascht hat Apple, denn sie veröffentlichten ihren Bericht schon im Februar. Die anderen dann wohl wieder kurz vor knapp. Amnesty International und Global Witness haben sich die letztjährigen Berichte angeschaut und mussten feststellen: Fast 80% der Unternehmen haben sich gar nicht vollständig an die Vorgaben gehalten und klagen lieber dagegen. Ach, die Multis. Hauptsache der Dollar rollt.
Samsung bleibt von all dem befreit, da aus Südkorea. Aber sie sollten schauen, was in Taiwan mit RCA passierte: Der inzwischen Thomson Multimedia gehörende US-Veteran muss über 30 Jahre Jahre nachdem Mitarbeiter Belastungen durch Chemikalien im Herstellungsprozess ausgesetzt waren einige Millionen Entschädigung zahlen. Dem versucht Samsung, um auf diesen aktuellen Hersteller von LCDs, CPUs u.v.a. zurück zu kommen, zuvorzukommen indem sie freiwillig (und ohne Schuldeingeständnis natürlich) erkrankten Mitarbeitern Gelder in Aussicht stellen, natürlich offiziell nicht als Entschädigung, sondern als Fürsorge für ihre Mitarbeiter. Wir berichteten schon davon, neu ist aber, dass es „not our final plan“ ist. Da kommt also noch was.
Was gibt es Neues bei den beiden Graswurzelprojekten der fairen Elektronik? NagerIT möchte, solange es z.B. noch kein faires Lötzinn gibt, zum Ausgleich aus dem Verkauf der Mäuse Gelder für das Unterstützungsprojekt JATAM in Indonesien bereitstellen. Von dort kommt vieles des in Elektronik eingesetzten Zinns, und zwar auf illegale, Gesundheit und Umwelt gefährdende Weise. Außerdem sind die Holzscrollräder inzwischen serienreif. Die bisherigen Plastikräder kamen nämlich aus China unter unbekannten Arbeitsbedingungen.
Fairphone hat einen Audit-Bericht über ihren neuen Fertigungsbetrieb Hi-P in China veröffentlicht, den man wie folgt zusammenfassen könnte: Das übliche, aber nichts übles, ähnlich dem vorherigen Kontraktfertiger. Fairphone hält zudem an der Absicht fest, Fairtrade-zertifiziertes Gold in ihre Smartphones zu bringen, genauer: Komponentenhersteller sollen eine ausgleichende Menge Fairtrade-Gold anschaffen und dem konventionellen Gold zufügen, um dann die Mischung zu verarbeiten. Wir kennen das vom Einspeisen von Ökostrom in die ansonsten konventionellen Netze.
In China treten die ArbeiterInnen zunehmend für bessere Arbeitsbedingungen ein, auch ohne ernst zu nehmende Gewerkschaft, selbst Samsungs Installateure organisieren sich im eher Streik-unfreudigen Südkorea. Ich bin überzeugt, dass das ein wichtiger Faktor hin zu faireren Geräten ist, und ich wünschte wir könnten dies unterstützen. Aber vielleicht sollten wir bei uns selbst anfangen und zum Beispiel die richtigen EU-PolitikerInnen wählen.
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Hallo,
wie sieht das ganze Thema Silber eigentlich bei den Solarherstellern aus? Ich nehme mal an da mittlerweile der größte Teil in China zuhause ist, dass es dort wohl eher kein faires bzw. konfliktfreies Silber. Oder müssen das die deutschen Solarteure nachweisen?
Bei den Mengen, die die Solarindustrie verbraucht, wäre es wirklich interessant auch darüber zu erfahren, auch wenn Solarzellen keine Computer sind. Ich weiß allerdings auch um die Anstrengungen der Solarindustrie und -forschung Silber z.B. durch Kupfer zu ersetzen.
Gruß,
Olec
Hallo Olec, ich kenne keine Berichtspflicht für deutsche Hersteller die Silber in ihren Produkten haben, und ich bin mir ziemlich sicher, dass keiner der Solarpanelhersteller auch nur den Gedanken an die (Un-)Fairness der Rohstoffgewinnung hatte. Deswegen sehe ich keinen Unterschied zu China in diesem Punkt. Das ist bei den Arbeitsbedingungen während der Produktion sicher anders. Mit Gruß, Sebastian