Fair wie in Faire Fußbälle
Die Kolumne “Betrifft: Faire Computer” erscheint regelmäßig in der FIfF-Kommunikation. Es geht kurz und knapp um die News (die meist auch schon getwittert wurden unter @FaireComputer) in Sachen Faire IT des letzten Vierteljahres. Diese hier ist in der Ausgabe 2/2014 erschienen und berichtet aus den Monaten Februar 2014 bis Mitte Mai 2014. Auch frühere Ausgaben findet ihr hier im Blog.
Die vermutlich wichtigste Entwicklung gleich zu Beginn: In China gibt es viel Bewegung in der Arbeiterschaft. Ein ungewöhnlich großer und langer Streik betraf zwar die Weltturnschuhproduktion, aber auch bei der IT-Industrie gab es mehrtägige Proteste, im vergangenen Quartal bei einem von Lenovo aufgekauften IBM-Werk und einem Samsung-Zulieferer. Die junge Generation der Wanderarbeiter lässt sich nicht mehr alles gefallen. Die Hunde bellen, die Karawane zieht weiter: Dass Samsung in Vietnam Fabriken aufbaut berichteten wir schon in der vorherigen Kolumne, Foxconn nun, der aus Taiwan stammende größte IT-Fertiger der Welt mit Werken vor allem in China, investiert in Indonesien.
Foxconns Hauptkunde Apple punktet auf sichererem Terrain: Greenpeace hat Apple gelobt für die vollständige Umstellung ihrer Cloud auf erneuerbare Energien. Für seine Strategie musste sich Chef Cook sogar gegen Investoren wehren: „If you want me to do things only for ROI reasons, you should get out of this stock.“ Was an Green-IT allerdings so absurd ist: Man kümmert sich vor allem um den Stromverbrauch beim Betrieb der Geräte, dabei kann man in Gebrauch gar nicht mehr so viel einsparen um all das auszugleichen, was man beim Bau schon verbraucht hat.
Das ist bei Fair-IT anders: Nichtkaufen ist nicht die Lösung, und der Herstellungsprozess steht im Fokus. Dass giftige Chemikalien nicht nur in den Kopfhörern, Computermäusen und ähnlichem stecken, wie die c’t jüngst aufdeckte, sondern auch beim Herstellungsprozess die Gesundheit der Arbeiterinnen und Arbeiter gefährdet ist, wurde im März durch den beeindruckenden Kurzfilm „Who Pays the Price? The Human Cost of Electronics“ in Erinnerung gerufen.
Zumindest in Südkorea gibt es speziell zu den bekannten Krebsfällen in der Halbleiterherstellung bei Samsung gleich zwei Neuerscheinungen im Kino, den Spielfilm „Another Promise“ und die Dokumentation „The Empire of Shame“. Ob die Filme in Europa zu sehen sein werden ist unklar, englische Untertitelung soll es aber geben. Die Fälle sind in Südkorea inzwischen Teil der Innenpolitik geworden. Samsung hat sich nun entschuldigt und Zahlungen angekündigt, lehnt einen Zusammenhang mit den Arbeitsbedingungen aber weiterhin ab. Auf ihren Webseiten ist davon allerdings nichts zu finden.
Dem oben genannten Kurzfilm soll im Laufe des Jahres ebenfalls eine Langversion folgen. Er hat eine neue US-basierte Kampagne „Bad Apple“ (so nannte sich übrigens schon 2006 eine Initiative gegen iPod-Elektroschrott) inspiriert, die den Einsatz von Benzol und n-Hexan in der Produktion der iPhones u.a. kritisiert, zudem größere Transparenz, die Übernahme von Behandlungskosten und ungefährlichere Substitute fordert. Diese einzusetzen würde vermutlich nur 1$ pro Gerät kosten. Apple tut es trotzdem nicht, da braucht es wohl auch keinen Investorendruck. Interessant ist die Begründung, warum gerade Apple als Kampagnenziel gewählt wurde: Apple sei „leader in corporate social responsibility“, eben wegen oben genannter klimafreundlicher Strategie und auch wegen des Versprechens, keine Konfliktmineralien mehr einsetzen zu wollen. Letzteres hatten sie allerdings schon 2011 in ihrem Zuliefererbericht versprochen.
Womit wir beim zweiten großen Thema des vergangenen Quartals wären. Ein US-Gericht hat nun aufgrund einer Klage von Industrieverbänden gesprochen: Eine Firma darf nicht gezwungen werden öffentlich bekannt zu machen, dass sie möglicherweise Konfliktrohstoffe in ihren Produkten hat. Die Folgen sind unklar. Berichte über die Sorgfalt im Einkauf von Konfliktrohstoffen wird es trotzdem geben, vielleicht werden sie aber nicht mehr vollständig öffentlich sein.
Ein solches Gerichtsurteil kann der EU nicht passieren, bei der es neben neuen öko-fairen Vergaberichtlinien und Regelungen zur Offenlegung nicht-finanzieller Informationen von Firmen inzwischen auch einen Kommissionsentwurf für die Kontrolle des Handels mit bestimmten Rohstoffen (wie in den USA lediglich Tantal, Zinn, Wolfram und Gold) aus Konfliktgebieten (anders als in den USA nicht nur D.R. Kongo) gibt. Allerdings sollen das die Firmen (gemeint sind nur Schmelzhütten, nicht alle Hersteller wie in den USA) freiwillig machen dürfen, ja, sie sollen sich sogar freiwillig selbst zertifizieren dürfen, also öffentlich darlegen wie sie dafür gesorgt haben, dass beim Einkauf keine bewaffnete Partei Geld verdient hat. Ob sie das wohl machen werden? Eine große Gruppe von NGOs, der auch das FIfF angehört, zeigte sich ob der Freiwilligkeit enttäuscht. Das Öko-Institut sieht in seiner Kritik des Entwurfs zu wenig Anreize es zu tun, befürchtet zudem dass wie in den USA einfach nicht mehr in kritischen Gebieten eingekauft wird und somit der Bevölkerung eine Einnahmequelle genommen wird, statt aktiv verantwortungsvollen Bergbau zu fördern.
Das zu verhindern ist bekanntermaßen die Absicht von Fairphone, die andeuteten 2015 in ihrem nächsten Modell fair gehandeltes Gold einzusetzen. Zunächst aber wird im Sommer eine neue Charge des schon vorhandenen, gar nicht so fairen Modells neu aufgelegt. Nager IT gibt derweil ihr Wissen über faire Beschaffung von Bauteilen an andere Firmengründer und Bastler weiter. Eine Art Fair-Maker-Szene ist im Entstehen.
Es ist wichtig sich den einzelnen Elektro-Komponenten zuzuwenden, also nicht nur den Lebensumständen in den Rohstoffminen oder den Arbeitsbedingungen beim Zusammenbau der Geräte, sondern auch, wie die Teile hergestellt werden. An dieser Stelle kann man im Einzelnen das faire vom nicht-so-fairen trennen.