„Betrifft: Faire Computer“ ist eine Kolumne, die alle Vierteljahr in der FIfF-Kommunikation erscheint. Sie fasst die Ereignisse der letzten 3 Monate kurz und knapp zusammen. Diese erschien in der Ausgabe 2/2013 und deckt die Monate Januar bis April 2013 ab. Der Text ist auch als PDF erhältlich. Wen Quellennachweise interessieren, der schreibe eine Mail an fairit @ fiff .de
Haben wir schon alles gesehen und uns daran gewöhnt? Im vergangenen Vierteljahr gab es kaum neue Berichte über die Arbeitsbedingungen in den Fertigungsbetrieben. Auch Apples Zulieferbericht enthält dieses Jahr nichts Neues, immerhin aber eine sehr ausführliche Liste aller Auftragnehmer. Apple gibt sich stolz, in den meisten Fällen 60-Stunden-Wochen durchgesetzt zu haben. Zu dumm, dass das auch in China zu lang und damit gesetzeswidrig ist. Als das iPhone 5 in Vorpremierenproduktion war, wurden selbst diese Abmachungen noch seltener eingehalten. SACOM, eine in Hongkong ansässige Arbeitsrechtsorganisation, hat einige Apple-Zulieferer beobachtet und wiederholt festgestellt: PraktikantInnen in 10-Stunden Tag-Nacht-Schichten, unbezahlte Arbeitszeiten, Beschimpfungen durch Vorgesetzte, ungeschütztes Arbeiten mit giftigen Chemikalien. Dazu passend die Meldung, dass in einem Samsung-Werk giftige Gase ausgetreten sind und aufgrund ausgeschalteter Sensoren ein Arbeiter starb und vier verletzt wurden. Bei Foxconn – größter IT-Produzent und überhaupt größter Arbeitgeber weltweit – gab es wiederholt Streiks. Früher haben ausgepowerte Arbeiterinnen und Arbeiter lieber gleich gekündigt (und auf einen halben Monatslohn verzichtet), inzwischen organisieren und wehren sie sich häufiger. Aus der Elektronikindustrie in Malaysia berichtet das niederländische Forschungsinstitut SOMO vom Einsatz und der Diskriminierung von Arbeitsmigranten aus Indonesien, Burma oder Nepal, den kommenden Boomländern, wenn es in China wegen der Arbeitskämpfe mal zu teuer werden sollte. Zynisch könnte man sagen: Immerhin nicht in Bangladesh.
Passenderweise hat SACOM seinen Bericht „Apple fails in its responsibility to monitor suppliers” genannt. Denn wir sind schon in der nächsten Phase der Kritik an den Markenherstellern angelangt: Nachdem es seit 2009 zunehmend negative Berichte und die Selbstmordserie bei Foxconn gab, mussten die Markenfirmen zusagen, den Angelegenheiten nachzugehen und bei den Auftragsfertigern Verbesserungen einzufordern, um nicht dauerhaft am Pranger zu stehen. Nun werden bei den Markenfirmen ihre Zusagen und die Fähigkeit überprüft, Mängel aufzudecken und Forderungen bei den Zulieferern durchzusetzen. Ähnlich geht TCO Development vor. TCO kennen einige von uns vielleicht als Label für ergonomische und energiesparende Monitore. Inzwischen wurden die Produktkategorien modernisiert und neuerdings Sozialkriterien hinzugefügt. Diese sind zwar nicht sehr stark, dennoch ist es ein bedeutender Fortschritt, wenn etwa die Einkäufer der Behörden in Zukunft TCO-Certified Geräte verlangen. In Österreich ist das schon so. Eine gute Entwicklung.
Dennoch verwundert es, wenn gerade Samsung der einzige Hersteller ist, der TCO-zertifizierte Tablets anbieten kann. In Frankreich wurde von zivilgesellschaftlichen Organisationen eine Klage gegen Samsung eingereicht, weil der Konzern Kinderarbeit zuzulassen scheint, obwohl dies gegen seine eigenen präsentierten ethischen Leitlinien verstößt. Dies sei eine Täuschung der Käufer und Anleger. Im gleichen Zuge haben Investmentberater davor gewarnt, dass die Marke Samsung wegen der zunehmenden Kritik Schaden nehmen könnte, Samsung jedenfalls sei darauf nicht vorbereitet. Die investigativen Berichte der letzten Jahre zeigen also auf verschiedene Weise Wirkung. Dass Samsung kürzlich einen Rekordgewinn berichtet hat, wird die Spekulanten vermutlich besänftigen und alles andere vergessen lassen.
Bislang haben wir immer nur die Rohstoffgewinnung und Fertigung, auch die Entsorgung der Geräte betrachtet, aber fehlende Fairness findet man auch im Verkauf. Die Zustände bei Saturn, MediaMarkt oder Amazon sind bekannt, es regt sich auch etwas in den Apple Stores. Ein anonymer Blogger berichtete von Videoüberwachung der Apple Store Mitarbeiter in Deutschland. Dafür gab es den Big Brother Award. Bei der Gründung von Betriebsräten in München, Frankfurt und nun auch Hamburg verhielt sich Apple kooperativ. Die Vorwürfe wiegen allerdings schwer: miese Bezahlung, Dauerstress durch Lärm und eine Diktatur der guten Laune.
Was machen die fairen Alternativen? Die teil-faire Maus Nager-IT (SZ: „Die Maus mit der Sendung“) verkauft sich langsam aber stetig, und das FairPhone-Team hat nun einen Kontraktfertiger gefunden über den bislang nichts Negatives bekannt ist. Die technisch durchschnittlichen, in der Herstellung und Materialauswahl aber in Teilen nachhaltigeren Geräte kann man inzwischen vorbestellten. Wir drücken die Daumen. Engagement und Medienpräsenz von FairPhone sind jedenfalls enorm, wenn auch viel Unsinn berichtet wird.
Beim FIfF wurde nun offiziell der AK Faire Computer gegründet. Wer sich beteiligen möchte ist herzlich eingeladen. Dazu passend: Wir haben ein neues Blog zum Thema, siehe blog.faire-computer.de