Fair wie in Fairer Honig
Die Kolumne “Betrifft: Faire Computer” erscheint vier Mal im Jahr in der FIfF-Kommunikation. Es geht kurz und knapp um die Neuigkeiten (die meist auch schon getwittert wurden unter @FaireComputer) in Sachen Faire IT / Elektronik der letzten paar Wochen. Diese Ausgabe berichtet von Anfang November 2021 bis Anfang Februar 2022 und ist in der FIfF-Kommunikation 1/2022 erschienen. Frühere Ausgaben findet ihr hier im Blog.
Beginnen wir am besten mit dem Koalitionsvertrag der Bundesampel. Bezüglich der sozial-ökologischen Transformation ist auffallend oft die EU im Blick: EU-Handelsabkommen sollen verbindliche Klauseln enthalten, die Menschenrechte, soziale und ökologische Standards schützen. Ein effektives Lieferkettengesetz soll auf EU-Ebene vorangetrieben werden, bei unveränderter Umsetzung und ggf. Verbesserung der deutschen Variante. EU-Vorschlägen zum Importverbot von Produkten aus Zwangsarbeit sollen unterstützt werden.
Und mindestens beim letzten Punkt sind wir auch bei der Elektronik angekommen. China ist den Medien, im Jahr des Tigers, mit Olympia, Putin-Schulterschluss und eben der Zwangsarbeit der muslimischen Uiguren in der Westprovinz Xinjiang. Intel hatte seine Zulieferer Anfang Dezember dazu aufgerufen, sich aus der Provinz zurückzuziehen. Das deutsche Lieferkettengesetz sieht für Unternehmen eine Pflicht zur Risikoanalyse nicht nur sowieso bei direkten Auftragnehmern, sondern auch tiefer in der Lieferkette vor, wenn es substantielle Hinweise auf Menschenrechtsverletzungen gibt. Die liegen hier offensichtlich vor. China ist in Sachen IT und Elektronik überall in der Lieferkette, vom Zusammenschrauben bis zu den Rohstoffen. Etwas dumm für das zentrale Anliegen der Energiewende vielleicht, dass nun ausgerechnet für Solarzellen konkrete Nachweise von Zwangsarbeit im Westen Chinas vorliegen.
Diese werden aus Quarzsand gefertigt, bislang nicht gerade als eines jener Transitionsrohstoffe im Gespräch. Das gibt es sprichwörtlich wie Sand am Meer, ganz anders als beim Lithium in den Akkus der vielen noch kommenden E-Autos und sowieso auch unserer mobilen IT: Das baut man zum einen oft im Wasser ab, es kommt in Salzseen angereichert vor. Zum anderen ist es knapp und wird immer teurer. Bolivien versucht seit Jahren daraus Gewinn zu schlagen, wird aber nicht produktionsreif, wie jüngst resümiert wurde. Sie wollen es bis zur Batterie alleine hinbekommen, also ohne Ausbeutung durch die etablierte Rohstoffindustrie, was eine wichtige Voraussetzung für eine nationale Entwicklung ist. Die Multis orientieren sich daher lieber gen Argentinien. Die Regierung ist da offener für fremdes Know-how, Kapitel und Knebelverträge, ja, wenn nicht die indigene Bevölkerung sich dem entgegenstellen würde, um ihre Wasserversorgung zu retten. In Serbien jedenfalls hat Rio Tinto im Januar aufgrund lokaler Proteste aufgegeben, Lithium zu fördern. Ein anderer Transitionsrohstoff, ebenfalls für die Batterien, ist Kobalt aus dem Kongo mittels Kinderarbeit, ein lange bekannter Zusammenhang, den die IT-Hersteller nur zögerlich akzeptierten. Eine Klage gegen u.a. Apple und Microsoft in dieser Sache ist allerdings im November abgewiesen worden: Man könne ob der Komplexität der Handelsbeziehungen keinen einzelnen Verantwortlichen konkret benennen.
Und was machen die Pionierprojekte? Fairphone hatte im Herbst überraschend früh die Version 4 ihres Smartphones veröffentlicht, die im Dezember nun die TCO-Zertifizierung erhalten hat und Januar die vom Blauen Engel. Enttäuschend ist vielleicht, dass Fairphone sich aus optischen Gründen gegen Recycling-Alu im Gehäuse entschieden hat, immerhin nun aber auf der Suche nach fairem Aluminium ist. Neu aus Fairnesssicht ist der Ausbau des Unterstützungsprogramms in Ruanda für den Abbau von Wolfram für den Vibrationsalarm, zudem ist das Fairtrade Gold, schon in den Leiterplatten enthalten, nun auch in den Bauteilen des Herstellers Hirose, wie im Dezember verraten wurde. Vermutlich in Steckkontakten, leider wird das nicht verraten. Das Tragische an der vorbildlichen Modularität des Fairphones ist ja, dass es dadurch mehr Steckkontakte benötigt, in denen typischerweise Gold ist, was sich wiederum negativ auf die Sozial- und Ökobilanz auswirkt. Nun ist es immerhin fair. Fairer jedenfalls als das immerhin konfliktfreie Zinn, über das eine sehr lesenswerte Artikelserie beim Onlinemagazin Das Lamm erschien, mit deutlich geäußerten Zweifeln an der sozialen Wirksamkeit der implementierten Maßnahmen. Auch sonst wird dort nicht an Zweifeln gespart: Viele Angestellte hätten Fairphone enttäuscht verlassen, weil der neue Geldgeber nur auf die Zahlen schaue.
So erklärt es sich vielleicht, dass Fairphone auch nie für so etwas wie ein Lieferkettengesetz gekämpft hat, denn es könnte ja ihr Alleinstellungsmerkmal gefährden. Andere lobbyieren auf EU-Ebene direkt dagegen, wie Misereor im Februar zusammenstellte. Gibt es einen Zusammenhang mit der im Dezember schon dritten Verschiebung der Veröffentlichung eines ersten Entwurfs durch die Kommission? Das war auch in Deutschland so, überhaupt ähnelt sich einiges. So gibt es auch hier eine Gruppe von Firmen, die sich ebenfalls im Februar in einem öffentlichen Brief klar für eine solche Regulierung aussprechen. Fairphone ist wie gesagt nicht dabei, aber z.B. Shift, die so genannte Alternative aus Deutschland. Als einziger großer IT-Produzent hat Epson unterschrieben. Es ist vielleicht ein Versuch sich abzusetzen von Billigprodukten. So hat China Labor Watch im November bei zwei Herstellern für nachgemachte Tonerkartuschen für Drucker von u.a. Epson Arbeitsrechtsverletzungen und gefährliche Arbeitsbedingungen aufgedeckt. Wo? In China. Es hängt alles zusammen.