Betrifft: Faire Computer 1/2015

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Die Kolumne “Betrifft: Faire Computer” erscheint regelmäßig in der FIfF-Kommunikation. Es geht kurz und knapp um die Neuigkeiten (die meist auch schon getwittert wurden unter @FaireComputer) in Sachen Faire IT / Elektronik des letzten Vierteljahres. Diese Ausgabe berichtet von Dezember 2014 bis Februar 2015 und erschien in der FIfF-Kommunikation 1/2015. Frühere Ausgaben findet ihr hier im Blog.

An die Zustände und gelegentlichen Skandale haben wir uns gewöhnt. Man könnte fast von Langeweile sprechen. Alles was wir schon vor einem Jahr diskutierten ist immer noch in Diskussion. Neues ist nicht hinzugekommen. Bei der Fairness in der Elektronikindustrie reden wir über klitzekleine Fortschritte in den immer gleichen Problemfeldern.

Zum Beispiel Konfliktmineralien: Das EU-Parlament hat im Dezember zwar über eine geplante EU-Regulierung diskutiert und den Stellungnahmen einiger Interessenvertreter aus Wirtschaft, Zivilgesellschaft, der OECD und – das ist neu! – der eigentlich Betroffenen (in diesem Fall aus D.R.Kongo) zugehört… und dann alles erst einmal wieder zu den Akten gelegt. Der Kommissions-Rapporteur sieht kaum Änderungsnotwendigkeiten an dem zu schwachen Kommissionsvorschlag. Die Bundesregierung findet es toll so, das FIfF fordert hingegen wirksame Gesetze und nicht die geplante „freiwillige Selbstverpflichtung“. Gleichzeitig streiten sich NGOs aus dem Pro- und Contra-Lager, Bischöfe aus aller Welt, Investoren, Kongolesen und Wissenschaftler darüber, ob das US-amerikanische Vorbildgesetz Dodd-Frank-Act Sect. 1502 nun gute oder schlechte Wirkungen hat. Dabei geht es gar nicht um Fairness für die ArbeiterInnen, auch nicht um Handelsgebote, sondern nur darum, wie sehr Firmen darauf achten, dass ihre Rohstoffgeschäfte mit bestimmten Metallen nicht Milizen und Rebellen zu Gute kommen. Die Geschäftsleute befreien sich unterdessen per Betrug und Schmuggel von all diesem Nervkram aus dem reichen Norden.

Zum Beispiel Samsung: In den seit vielen Jahren laufenden Gesprächen zwischen dem Konzern, der ihm gewogenen Entschädigungsbehörde, der Opfervertretergruppe SHARPS, einzelnen anderen Opferfamilien, Anwälten und Politikern um 1) das Schuldeingeständnis für Vergiftungen in ihrer Halbleiter- und LCD-Herstellung und 2) die Entschädigung der Opfer der dort eingesetzten Chemikalien hat Samsung nun einen Kompromissvorschlag zu 2 vorgelegt (und gleichzeitig 1 strickt abgelehnt) der grob sagt: Uns ist das Schicksal unserer ArbeiterInnen wichtig, deshalb zahlen wir allen Opfern Entschädigung vorausgesetzt es sind keine Leiharbeiter, sie haben bestimmte Krebsarten, sie waren eine Mindestzeit beschäftigt und haben sich rechtzeitig bei der Behörde untersuchen lassen, kurzum: nur ein kleiner Teil der Betroffenen darf hoffen. Unterdessen kommen die ersten Kinder der vergifteten Arbeiterinnen krank zur Welt.

Zum Beispiel Apple: Am Vorabend der Apple Watch, die mit immer mehr Miniaturisierung auch immer speziellere Chemikalien und Rohstoffe benötigen wird, hat der Konzern turnusgemäß seinen Zuliefererbericht veröffentlicht und eine durchaus beeindruckende Menge von Aktivitäten vorgelegt zur Verbesserung der Arbeitssituation in den globalen Fertigungshallen. Bei Nähe betrachtet steigt die Anzahl von Trainingsprogrammen, Audits und Rohstoffinitiativen aber auch nur linear mit den beeindruckenden Umsatz- und Gewinnsteigerungen dieser Firma. Ihr bislang größter Auftragnehmer Foxconn, der in China einen ungewohnten Rüffel des Kommunistischen Gewerkschaftsbundes wegen der vielen Überstunden bekam, hat einen teilweisen Einstellungsstopp erlassen, auch weil Apple nun zunehmend Konkurrent Pegatron beauftragt, was laut China Labor Watch allein aus Kostengründen geschehen sei, denn dort werde weniger Lohn gezahlt. Die BBC hat sich bei Pegatron umgeschaut und in einem viel beachteten TV-Beitrag reichlich faule Stellen an Apple gefunden: miese Trainings, viele Überstunden, autoritäre Vorgesetzte in den Zulieferbetrieben, zudem illegal abgebautes Zinn aus Indonesien in den Geräten.

Alles alte Hüte, wie gesagt. Auch nicht neu, aber zunehmend diskutiert werden Formen von Zwangsarbeit in der Elektroindustrie. Um einen Job zu bekommen zahlen nämlich Arbeitslose aus armen Ländern hohe Vermittlungsgebühren, wodurch sie sich verschulden und somit in einer Art Schuldknechtschaft während der ersten Arbeitsmonate im wesentlichen diese Schulden abbezahlen. Sie sind in dem Job gefangen, und wenn sie ihn verlieren sollten, können sie in aller Regel nicht wieder nach Hause, weil das Geld dafür fehlt. In der FIfF-Kommunikation hatten wir schon über Vietnamesen in Tschechien berichtet, die ein ähnliches Schicksal teilt. Aktuell wird dies in der Elektroindustrie in Malaysia viel thematisiert. Hewlett-Packard fordert nun Direktanstellung von Gastarbeitern. Das Industriekonsortium EICC möchte zu hohe Vermittlungsgebühren unterbinden. Apple zwingt ihre Zulieferer eventuelle Gebühren komplett zurückzuzahlen. Die USA drohen Malaysia auf eine Sanktionsliste zu setzen. Zwangsarbeit könnte also das nächste große Fairness-Thema in der Elektroindustrie werden. Es gibt auch schon einige Gesetze. In der EU und Deutschland fehlen die meines Wissens aber noch.

Immerhin: Der deutsche IT-Branchenverband BITKOM engagiert sich für eine sozial-ökologische IT-Beschaffung der Behörden. Welchen Beweises bedarf es noch, dass Nachhaltigkeit auch ein Geschäft sein kann? TCO Development, die mit dem einzigen Fairness-Siegel der Branche, wird beispielhaft erwähnt in den neuen Vergaberichtlinien.

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Das MakeITfair Projekt ist leider Vergangenheit

Und was machen die Vorbildprojekte in Sachen Faire Computer? Nager IT ist ziemlich präsent in Zeitungen und Märkten, verkauft auch stetig, es gibt aber nur wenig Neues bei der Computermaus (Holzscrollrad) oder ihrer detailliert dokumentierten Lieferkette (Verhandlungen). Alle Fairphones sind inzwischen verkauft, und im Laufe des Jahres wird es das nächste Modell geben über dessen Fairness man noch nichts sagen kann, auf dessen Design das Unternehmen dank Wechsel des Partners (wieder aus China, Auditbericht steht noch aus) aber nun mehr Einfluss hat. Shiftphones behauptet zwar weiter, fairer zu sein als andere, hat aber noch keinen Nachweis geliefert. Derweil öffnet Posteo in ihrer Berliner Zentrale eine Art erster Fair-IT-Shop. Trotz des fehlenden Angebots eine tolle Sache.

Auch bei diesen Projekten also eine gewisse Stagnation. Ich denke, es ist ein Punkt erreicht wo die Gesetzgeber am Zuge sind, denn der Markt alleine bewegt sich nicht genügend. Wir wollen nicht auf den nächsten Skandal warten, sondern ihn verhindern.

 

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