Über Sebastian Jekutsch

Sprecher der AG Faire Computer des FIfF e.V. und 2. Vorstand beim FairLötet e.V.. Kontakt: sj#fiff.de

Hewlett-Packard wacht wieder auf

Hewlett-Packard war lange Zeit der Good Guy unter den Kritikern der Arbeitsbedingungen in der IT-Industrie, denn HP hat als erste Markenfirma überhaupt die Liste ihrer Zulieferer veröffentlicht und soll vergleichsweise offen und transparent gewesen sein – so die Erzählungen von Aktiven aus Deutschland.Seit der Krise ihres PC-Geschäfts ist es um HP aber still geworden. Nun melden sie sich zurück mit der Pressemeldung, dass sie das strengste Kontrollsystem der Branche einsetzen wollen, um die Ausbeutung von Schülern und Studenten in ihren Pflichtpraktika als auch während Ferienjobs zu beenden. Dieser Aspekt ist in den letzten Monaten oft als „Kinderarbeit“ diskutiert worden. Es scheint nicht unüblich, Praktikanten die gleiche (Schicht-)Arbeit machen zu lassen wie sie die Angestellten verrichten.

In der taz findet man eine Zusammenfassung der HP-Initiative.

Gewerkschaftsfreiheit im Apple-Bericht

GoodElectronics, ein Zusammenschluss von Gewerkschaften und NROs zum Thema faire und grüne Elektronik hat ebenfalls eine Analyse des Apple-Zuliefererberichts veröffentlicht. Die Kritik von GoodElectronics zielt vor allem auf Apples Einschätzung der Einhaltung von Apples Verhaltenskodex in Sachen Gewerkschaftsfreiheit. Die liegt nämlich bei sagenhaften 98%, d.h. Apple hat kaum etwas auszusetzen. Mehr als die Zahl ist in dem Bericht leider nicht zu finden.Die Zahl ist verwunderlich, denn

  • in z.B. China gibt es gar keine freien Arbeitnehmervertretungen. Alle Betriebsräte sind Mitglied des parteistaatlichen Gewerkschaftsverbandes AFCTU.
  • in der Regel sind die meisten Betriebsratsmitglieder aus dem Management der Firma
  • oft wissen die Arbeiter gar nichts von einem Betriebsrat oder vertrauen der angebotenen Hotline nicht (wegen Punkt 2) und kennen allenfalls die politikfreien Freizeitangebote.

Wenn man sich Apples Verhaltenskodex allerdings anschaut wird’s klarer:

  • Es geht lediglich um Nichtdiskriminierung von Gewerkschaftsmitgliedern. Beispiel China: Die Mitarbeiter sind oft ohne ihr Wissen und Zustimmung sogar automatisch Gewerkschaftsmitglieder (und zahlen einen Teil ihres Lohns), also besteht gar kein Problem.
  • Es geht gar nicht um die Art und Macht der Gewerkschaft, z.B. ob sie Kollektivverhandlungen durchführen kann o.ä.
  • Es wird ansonsten auf Einhaltung der lokalen Gesetze verwiesen.

Dass die Gesetze in vielen Ländern – vor allen in den Freihandelszonen – nicht ausreichen, um so was wie Vereinigungsfreiheit zu erlauben oder wirksam zu machen, ist dann bei GoodElectronics zu lesen.

GoodElectronics hat also recht; zu kritisieren sind allerdings Apples unzureichenden Anforderungen an die Zulieferer.

Dazu passt die Nachricht, dass Foxconn Wahlen für eine gewerkschaftliche Vertretung vorbereitet, die sich alle 5 Jahre wiederholen sollen. Hier dürfte Apple mittels der beauftragten Fair Labor Association einiges bewegt haben. Foxconn soll selbst zugegeben haben, dass der bisherige Betriebsrat weder demokratisch noch repräsentativ war.

Die Details sind allerdings noch unklar, ein Urteil kann man jetzt noch nicht fällen. Die Modalitäten der Wahlen sind noch nicht bekannt, und freie Arbeitnehmervertretungen kann es in China schon per Gesetz nicht geben. Vergangene Versuche anderer Firmen seien gescheitert, sagen Beobachter.

Foxconn und seine Zulieferer hatten in jüngster Zeit vermehrt mit Streiks zu schaffen gehabt, so zumindest die Meldungen, die uns erreichen, siehe u.a. www.sacom.hk/archives/971, www.zdnet.de/88139355/erneut-unruhen-bei-apple-lieferant-in-china/ und www.goodelectronics.org/news-en/foxconn-workers-in-beijing-china-on-strike-over-end-of-year-bonus-and-payrise

ARD: Der Apple-Check

Unter http://www.ardmediathek.de/das-erste/reportage-dokumentation/der-apple-check?documentId=13296480 findet ihr den ARD-Beitrag „Der Apple-Check“. Ab Minute 31 wird über Foxconn, Riteng (Teil von Pegatron), QSMC (kannte ich noch nicht) und mindestens einem weiteren, ungenannten Zulieferbetrieb berichtet. In letzterem wurde sogar gefilmt. Es ist ungewöhnlich, dass die (Handy-?)Kamera nicht entdeckt wurde. Wir sehen die Bestätigung dessen, was seit mehreren Jahren berichtet wird, gut zusammengefasst.

Apples Zulieferbericht 2013

Apple hat – wie jedes Jahr um diese Zeit – einen Nachhaltigkeitsbericht über seine Zulieferer veröffentlicht, seit den Foxconn-Selbstmorden mit deutlichem Fokus auf die Arbeitsbedingungen.Apple berichtet darin mit viel Selbstlob von ihren eigenen Audits (Untersuchungen vor Ort) und den Ermittlungsergebnissen in 2012. Sie umfassten Fertigungsbetriebe, aber auch Komponentenhersteller, knapp 400 Besuche insgesamt. Laut Apple wurden Arbeiter auch außerhalb der Arbeitsstätte interviewt; die meisten Firmenbesuche dürften aber angekündigt gewesen sein.

Arbeitszeiten

Apple schafft es zunehmend, die Arbeitszeiten auf unter 60 Stunden pro Woche zu drücken, siehe den veröffentlichten Kurvenverlauf. Auffallend ist jedoch, dass gerade zum Zeitpunkt der iPhone 5 Verkäufe die Kurve nach unten ging, siehe auch die Analyse an anderer Stelle. Apple selbst gibt sich als Beobachter, hat aber vermutlich selbst mehr Einfluss als offen eingestanden.60-Stunden-Wochen sind in China gesetzlich möglich, dürfen aber nicht die Regel sein, weil in die Rechnung Überstunden einfließen. Regelarbeitszeit ist 40-Stunden. Es wird oft argumentiert, dass die Arbeitnehmer ja selbst gerne Überstunden machen möchten. Das stimmt, denn sie benötigen das Geld um um die Runden zu kommen. Ursache ist also das geringe Gehalt, eine Legitimation für die Überstunden daraus abzuleiten ist eine Frechheit.Über den Stundenlohn steht in Apples Bericht kein Wort, lediglich über Überstunden- und Nachtzuschläge, die kontrolliert und wohl hier und da korrigiert wurden.

Leiharbeit

Von Leiharbeitern wird oft eine Vermittlungsgebühr von mehreren Monatslöhnen verlangt. Da es sich oft um Wanderarbeiter handelt, schaffen sie es erst nach vielen Monaten, genug Geld zusammen zu haben um mal nach Hause fahren zu können. Apple sorgte dafür, dass viele dieser illegalen Gebühren zurückgezahlt wurden. Das ist einzigartig und sehr lobenswert.

Beschäftigung Minderjähriger

Es gab einen Fall von Beschäftigung Minderjähriger (d.i. unter 15 Jahre) größeren Umfangs. Apple hat die Vertragsbeziehung gekündigt. Leider hat die wenigen Agenturmeldungen vor allem diese Neuigkeit geprägt.In mehreren Firmen war die Arbeit dem Alter nicht angemessen. Die Beschäftigung von Schulpraktikanten soll 2013 genauer beobachtet werden.

Arbeitsschutz

Apple hat hier Detailverbesserungen erreicht, Schutzkleidung, Fluchtwege, Umgang mit gefährlichen Substanzen.

Konfliktmineralien

Einsatz konfliktfreier Mineralien bedeutet, dass keine bewaffneten Konflikte durch den Kauf von Rohstoffen finanziert werden. In aller Regel bezieht sich die Forderung auf die D.R.Kongo und Nachbarländer und auf die Stoffe Gold, Zinn, Tantal und Wolfram. Ein U.S.-amerikanisches Gesetz verlangt eine Veröffentlichung von Geschäften dieser Art.Apple behauptet, dass alle 211 Tantallieferanten die Konfliktfreiheit nachweisen können. Apple kündigt an, dass in Zukunft („we will“) dies für alle vier Stoffe verlangt wird, sobald eine Zertifizierung vorliegt. Beim Zinn ist dies schon der Fall, bei Gold auch, bei Wolfram weiß ich es nicht.Diese Ankündigung ist interessant. Hoffentlich kommen noch mehr Informationen dazu.

Transparenz

Wie immer veröffentlichte Apple keine Namen. Dennoch ist Apple transparenter als die meisten der Mitbewerber. Insgesamt habe ich das Gefühl, dass die weltweiten, schlechten Berichte über Apple-Zulieferer etwas bewegt haben. Apple ist langsam unterwegs, aber auf einem guten Weg.Die ganze IT-Szene ist aber auf eher niedrigem Niveau, das darf man nicht vergessen. Vor einigen Jahren war der Sportartikelhersteller Nike ähnlicher Kritik ausgesetzt wie Apple. Auch Nike hat reagiert. Allein die Veröffentlichung der Zulieferbetriebe ist um einiges ausführlicher und hilfreicher als die von Apple.

Neues zum FairPhone

Zum Projekt FairPhone gibt es wieder Neuigkeiten: Spiegel-Online veröffentlicht eine Zusammenfassung des Projekts basierend vermutlich auf einigen Interviews, u.a. mit dem Projektleiter Bas van Abel.Die für mich bislang neuen Erkenntnisse:

  1. Es soll mit Fairgold (Zertifizierung von Fair-Trade-Gold) zusammengearbeitet werden.
  2. Es soll Tantal (gewonnen aus Coltan) aus zertifizierten Minen eingesetzt werden.
  3. Die Kondensatoren sollen in einer tschechischen Fabrik gebaut werden.
  4. Es soll ein chinesischer Original Design Manufacturer (ODM) eingeschaltet werden, der nicht nur produzieren, sondern auch entwickeln/designen kann.

Bestätigt wird der Plan, zertifiziertes Zinn einzusetzen. Gar nicht mehr ist die Rede von dem alten Plan, Kobalt konfliktfrei zu beschaffen. Auch wird als Vertriebspartner zwar weiterhin Vodafone und KPN (sozusagen die niederländische Telekom), der Hersteller des Geräts ist unklar. Hier waren mal Geeksphone und Openmoko im Gespräch.

Details zu den Neuigkeiten:

  1. Das Gold müssten vermutlich die Komponentenhersteller, vermutlich die Leiterplatinenhersteller, evtl. auch die Fertiger einsetzen. Das ist viel Aufwand für ein kleines Projekt wie dieses
  2. Es gibt vielversprechende Ansätze, ähnlich wie beim Zinn auch konfliktfreies Tantal aus dem Kongo zu beziehen. Anders als im Artikel behauptet ist Kongo zwar ein großer Tantal-Lieferant, der größte ist aber Australien, wo zumindest Konfliktfreiheit zu erwarten ist. Ist halt teurer, aber worum nicht das einsetzen? Aber vielleicht meinen sie das sogar.
  3. Tantal steckt in Elektrolytkondensatoren. Diese tschechische Firma wird dann dieses Tantal wohl einsetzen. Zum Vergleich: Die teilfaire Maus lässt die Elkos in der BRD herstellen, das Tantal kommt aus ungeklärten Quellen.
  4. Ein allgemeiner Verweis auf einen ODM bleibt leider ohne Aussage. Würden lediglich bekannte Geräte mit „faireren“ Komponenten ausgestattet bräuchte man nach meinem Verständnis aber keinen ODM.

Etwas irritierend: Mit jedem neuen Interview, das irgendjemand mit den FairPhone-Projektleuten führt, werden ganz neue Pläne öffentlich. Auf ihrer Website oder Facebookauftritt werden die Sachen nie erwähnt. Vielleicht sind es doch eher Ideen als konkrete Kooperationen?

Es bleibt spannend!