Vom Erfolg zivilgesellschaftlicher Akteure

Was können wir tun?

Dies ist wohl die häufigste Frage, die mir gestellt wird, wenn ich einen Vortrag halte oder ein Interview zum Thema gebe. Wie bekommen wir fairere Computer? Wie ändern wir die Lage? Es gibt typische Ansätze, etwa

  • Rankings, Labels und Zertifikate,
  • investigative Recherchen vor Ort und die Veröffentlichung von Untersuchungsberichten,
  • Initiativen zu mehr Transparenz, schärferen Gesetzen oder der Etablierung einer Unternehmensverantwortung,
  • darüber reden und schreiben, Bildung und Aufklärung,
  • öffentlichkeitswirksame Aktionen und Kampagnen,
  • das Äußern einer Nachfrage nach besseren Geräten, vor allem auch durch die öffentliche Hand
  • das tatsächliche Anbieten fairerer Hardware, und sei es erstmal „nur“ durch Graswurzelbewegungen

Die meiner Meinung nach bislang erfolgreichste Strategie ist die investigative Recherche mit nachfolgender Kampagne. Dies ist die klassische Arbeit von zivilgesellschaftlichen Nichtregierungsorganisationen (NGOs), und ihre Bedeutung für die Fair-IT-Szene ist kaum zu überschätzen. Ich möchte hier in chronologischer Reihenfolge ein paar Beispiele geben, wobei das letzte Beispiel der aktuelle Anlass für diesen Blogeintrag ist.

Clean up your computer

Begonnen hat meines Wissens die öffentliche Aufmerksamkeit für das Thema 2003 mit der Kampagne „Clean up your computer“ von CAFOD, einer englischen Entwicklungshilfeorganisation. Zentral war die Veröffentlichung eines Berichts, der die damals vorhandenen Quellen am Beispiel Mexiko und China sehr gut zusammenfasste und einige Aufmerksamkeit erzeugte. Viele Leser haben E-Mails und Briefe an die Chefs von HP, Dell oder IBM geschickt. Dell und IBM haben daraufhin erstmals einen eigenen Verhaltenskodex aufgestellt. Hewlett-Packard war in Folge der Kampagne führend bei der Formulierung eines industrie-weiten Kodex im Oktober 2004, der immer noch aktiven und wichtigen Electronic Industry Citizenship Coalition (EICC, das CC stand ursprünglich für „Code of Conduct“). Inzwischen gibt es viele Mitglieder beim EICC, eigentlich alle großen Hardware-Hersteller. Der EICC beinhaltet aber bis heute nicht – wie damals schon von CAFOD gefordert – die ILO-Kernarbeitsnormen über Gewerkschaftsrechte. Dennoch: die erste Beschäftigung mit dem Thema war von einer NGO initiiert und hatte ein weit reichendes Ergebnis.

"Clean up your Computer" auf der Straße

Die CAFOD-Kampgane „Clean up your Computer“ fand auch auf der Straße statt.

The Digital Dump – Poisoning the Poor

Greenpeace hat 2005 über die Recherchen zur gefährlichen Wiederverwertung von Elektronikmüll in China und Indien berichtet, etwa zeitgleich hat das Basel Action Network (BAN), welches schon seit 2001 am Thema war, ähnliches aus Nigeria veröffentlicht. Greenpeace schließlich deckte 2008 den heutzutage bekanntesten Fall auf: Die Ausbeutung von Elektroschott sowie Umwelt und Bevölkerung in Accra, der Hauptstadt Ghanas. Die erschreckenden Bilder sind in vielen anderen Medien aufgenommen worden. Es gibt auch heute noch regelmäßig Fernseh- und Zeitungs-Features dazu, sogar Bilderbände sind entstanden. Derlei Verschiffung von Elektroschrott ist in Europa schon seit langem verboten, dennoch fand man Computerteile mit Aufklebern z.B. deutscher Behörden in Accras „Sodom und Gomorrha„. Laut Bundesregierung (in einer kleinen Anfrage) bekommt man das Problem des illegalen Exports bis heute nicht in den Griff. Dennoch: Dieser Fall ist dank der Aktivitäten von NGOs erst ans Licht geraten.

Kind auf Berg aus Elektroschrott

Dieses häufig abgedruckte Bild hat das Basel Action Network schon 2001 aufgenommen, in Guiyu, China, ©2006 Basel Action Network (BAN)

iSlave

SACOM (Students and Scholars Against Corporate Misbehaviour) ist eine NGO aus Hong-Kong, die die Arbeitsumstände beim Fertiger Foxconn – vor 4 Jahren wusste noch kaum jemand, wer das ist – konsequent mit dessen Kunde Apple kombiniert und so skandalisiert hat. Sie sind regelmäßig nach Shenzen und anderen Foxconn-Werken gefahren, haben die Arbeiter interviewt, Fotos geschossen (sofern es ging) und dies in einer Reihe von Berichten ab 2008 veröffentlicht, die Basis für viele Nachrichtensendungen waren. SACOM hat auch Recherchen zu den 2010er Selbstmordfällen von Foxconn-Mitarbeitern durchgeführt und ihre Proteste geschickt und durchaus aggressiv damit verknüpft. Gleiches gilt für die 2011er Explosionen in Foxconn-Werken. SACOM war mit Prof. Pun Ngai, Jenny Chan und Debby Chan am präsentesten in der Szene. Auch wenn Apple es nie zugeben würde: Ihre Nachhaltigkeitsberichte ab 2010 sind wesentlich geprägt von der Verteidigung gegen diese öffentlichen Vorwürfe und Apple hat tatsächlich einiges verbessert. Dennoch: Es bleibt bis jetzt Aufgabe der unabhängigen NGOs, hier immer wieder die Versprechungen zu überprüfen.

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Aktion von SACOM zur Eröffnung eines neuen Apple Stores in Hong Kong (SACOM 2011)

Make It Better

Die jüngste Geschichte der Erfolge zivilgesellschaftllichen Engagements geht so: Friends of the Earth (FOE) Großbritannien startet 2012 eine eher allgemeine Kampagne zur Verbesserung von Produkten unseres alltäglichen Lebens wie sie es schon viele gab, recherchiert in einem anderen Zusammenhang über den Zinnabbau im indonesischen Bangka durch Kleinstschürfer mit großen Umweltbelastungen, Verletzten und Toten und hat fortan sein Thema: Samsung und Apple sollen verraten, ob sie dieses Zinn in ihren Geräten haben (was wahrscheinlich ist) und wenn ja, sollen sie die Lage verbessern. Sie strengen eine E-Mail-Aktion an, eine Petition, Anleitung zur Ansprache an Händler, Stickers zum guerilla-mäßigen Anbringen an Geräte in Shops, Proteste vor dem Fußballclub Chelsea London (hat Werbepartner Samsung) und anderes. Es kommen 15.000 E-Mails zusammen und tatsächlich: Samsung antwortet, dass besagtes Zinn in ihren Geräten steckt. FOE lässt hier nicht locker, erst recht nicht bei Apple und tatsächlich: Auch Apple verspricht Untersuchungen. Die sind am laufen, und wir müssen abwarten was hier passiert. Dennoch: Von allein hätten sich die beiden Unternehmen nicht bewegt, es bedurfte der zivilen (Konsumenten-)Empörung.

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Motto der „Make it better“-Kampagne von Friends of the Earth

Fazit

Vermutlich – und hier schließt sich der Kreis – ist Apple aufgrund der Regelungen des EICC dazu verpflichtet, der Indonesien-Geschichte nachzugehen. Und wenn sie das schon tun, dann kann man es auch öffentlich machen, zumal der Konkurrent vorgelegt hat.

Recherchen veröffentlichen, Fokussieren auf bekannte Hersteller und öffentlich Forderungen stellen: Das sind die Mittel, die diese vier Initiativen auszeichneten. Die Presse war groß und die großen Hersteller haben (deshalb?) darauf reagiert. Es ist ein mühsames Geschäft und hat oft nur Inselwirkung. Viele Menschen opferten ihre Freizeit damit sich die Markenfirmen ein klein wenig bewegen. Man kann dieses Betteln auch ablehnen, aber es ist ein messbarer Erfolg.

Wir leben in einer Welt des Marktliberalismus und der „freiwilligen Verpflichtung“. Mehr Souveränität und Durchschlagskraft haben sicher gesetzliche Regelungen, die leider nur selten aus solchen Kampagnen hervorgehen. Aber auch z.B. die Veröffentlichungspflichten in den U.S.A. über die Konfliktfreiheit kongolesischer metallischer Rohstoffe (Dodd-Frank-Act Sec. 1502) sind aufgrund der Lobbyarbeit von NGOs entstanden.

2 Gedanken zu „Vom Erfolg zivilgesellschaftlicher Akteure

  1. Ein sehr informativer und nützlicher Beitrag. Ich finde es gut, dass die Menschen beginnen über ihren Tellerrand hinaus zu schauen und ihre Macht als Käufer ausspielen. Weiter so

  2. Hallo Sebastian,

    erst einmal vielen Dank für den informativen und nachdenklichen Artikel. Gerade erst gab es in den Nachrichten einen Bericht über einen Dokumentarfilm der die Zulieferbetriebe von Apple unter die Lupe nimmt und der westlichen Welt aufzeigt, unter welchen katastrophalen Bedingungen ein Smartphone hergestellt wird.

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