In 2010 mehrten sich Berichte über Foxconn-Angestellte, die sich vom Dach ihrer Unterkunft gestürzt haben. Gestürzt haben sich auch die Medien auf diese Ereignisse. Inzwischen ist es stiller darum geworden, vermutlich um es als Protestform nicht zu unterstützen. Einen aktueller Artikel der Süddeutschen Zeitung über erneute Selbstmorde möchte ich zum Anlass nehmen, auf ein häufiges Argument einzugehen: Die Selbstmordrate bei Foxconn, so hört und liest man, sei niedriger als die im restlichen China oder etwa unter der amerikanischen Bevölkerung.
Gehört hat man dieses Argument zum Beispiel bei Steve Jobs himself. In deutschen Foren etwa findet man auch heute hier und da immer mal wieder. Zynische Schlussfolgerung: „Arbeiten bei Foxconn senkt das Selbstmordrisiko dramatisch.“
Ich möchte dazu drei Dinge zu Bedenken geben.
Fehlende Zahlen
Zunächst wundert mich woher die Leute glauben zu wissen, wie hoch die Selbstmordrate unter Foxconn-Angestellten sei. Die gezählten Fälle sind lediglich die ans Licht gebrachten, die Dunkelziffer unbekannt. In den Medien und Berichten können gar nicht alle Fälle aufgelistet sein. Behördliche Statistiken erfassen zwar die Todesursachen in der Bevölkerung, niemand aber weiß wer von den Suizidierten Foxconn-Angestellter war.
Unterschiedliche Populationen
Aus der Wissenschaft ist der Gesunder-Arbeiter-Effekt bekannt. Die Angestellten einer Firma, die eine Mitarbeiterauswahl per Bewerbungsverfahren treffen kann (zumindest 2010 hatte Foxconn noch Auswahl), sind nicht vergleichbar mit der Durchschnittspopulation, selbst wenn sie eingeschränkt wird auf die passende Altersklasse. Foxconn stellt zum Beispiel keine kranken oder arbeitsunfähigen Menschen ein. Vor allem junge Erwachsene mit Risikobereitschaft fahren in die Großstadt um bei Kontraktfertigern anzuheuern.
Ungeeigneter Indikator
Selbst wenn die Statistik stimmen sollte: Warum wird ausgerechnet das Ereignis des Selbstmordes als Vergleich hergenommen? Eine Untersuchung hat ermittelt, dass die Depressionsrate unter Wanderarbeitern – also dem typischen Foxconn-Mitarbeiter – deutlich höher liegt als in der Vergleichspopulation. Das sollte doch zu denken geben.
Kann es also vielleicht sein, dass es bei Foxconn einfach nur überdurchschnittlich viele Helden gibt, die trotz der Umstände weiter machen?
Die Situation ist nach wie vor eine Schande für die ganze IT.
Wenn man sich alleine vergegenwärtig wie viele „schwache“/unerfahrene Menschen, selbst in Deutschland noch – mangels drakonischer Strafen und unethischer Chefs – ausgebeutet werden. Beispiele in der IT kommen aus vielfältigen Gründen meist in Deutschland nicht ans Licht. Aber Beispiele aus anderen Branchen sind:
– Eine Postbotin mit 88 Kettenverträgen: http://www.welt.de/wirtschaft/article128247447/Postbotin-ist-nach-88-Zeitvertraegen-untragbar.html
– Rewe Praktikatin die mit falschen Hoffnungen auf eine Stelle monatelang kostenlos arbeiten durfte: http://www.spiegel.de/karriere/berufsleben/rewe-praktikantin-bekommt-17000-euro-lohn-nachgezahlt-a-960928.html
– Der Fall Emeley: https://de.wikipedia.org/wiki/Fall_Emmely
Um nur die Spitze des Eisberges in Deutschland mal zu benennen!